18 Juli 2010

Die Kugel rollt

Las Vegas ist der gebaute amerikanische Traum, in dem sich Glück und Wohlstand für jedermann erfüllen sollen, egal, welcher Weg dafür eingeschlagen wird. Gelohnt hat es sich auf jeden Fall für die Investoren der Casinos (früher war auch die Mafia stark beteiligt), Hotels und Unterhaltungsshows. Las Vegas ist nebenbei die Glücksspielmetropole des Westens, Touristenhochburg für Reisende aus aller Welt, autofahrerfreundliche Stadt und insgesamt eine pulsierende Wüstenhauptstadt mit angeschlossenem Segler-Paradies, dem Stausee Lake Mead. Und dass alles innerhalb der letzten knapp 80 Jahre. Begonnen hatte der Aufstieg der Stadt mit damals etwa 5.000 Einwohnern im Jahre 1931. In Nevada wurde das Glücksspiel legalisiert und in der Nähe begann der Bau des Hoover Dams. Tausende Bauarbeiter wurden in der von der Regierung gegründeten Siedlung Boulder untergebracht, durften aber dort keinen Alkohol trinken und jede Form von Glücksspiel war verboten. Nicht so im nahen Las Vegas, wo die Löhne der Bauarbeiter entsprechend umgesetzt werden konnten. In den vierziger Jahren wurden dann die Casinos gleich mit den Motels verbunden: aus dem Bett an den Spieltisch - ein geniales Konzept, bis heute. In den Fünfziger Jahren kamen Touristen, die die Atombombentests sehen wollten, die in der Wüste durchgeführt wurden; ein weiterer Aufschwung bis in die 60er Jahre. Dann folgten 20 Jahre schlechtes Image. "Dummerweise" wurde die Durchführung von Atombombenexplosionen in der Atmosphäre im Jahr 1963 verboten, wodurch die Touristen nichts mehr in der Ferne zu sehen hatten und daher das Geschäft mit aus der Nähe sichtbaren Reizen aufblühte. Las Vegas wurde Rotlicht-Stadt - Sin City - Stadt der Sünde. Der letzte Aufschwung begann in den Neunzigern, als neben dem Glücksspiel die Unterhaltungsshow aufkam: die Stadt wandelte sich von der Sin City in eine Unterhaltungsmetropole (City of Entertainment - Stichwort Siegfried und Roy) und wurde somit auch für reisende Familien attraktiv. Dazu kam ein Bevölkerungszuwachs, der die Einwohnerzahl auf über 550.000 (in der Metropolregion: 1,86 Mio) ansteigen ließ. Und da steht es nun heute, faszinierend glitzernd mitten in der Wüste.
Doch was tun an einem einzigen Tag? Ich bin erstmal einem ganz besonders morbidem Vergnügen nachgegangen - und habe das Atomic Testing Museum besucht. Gleich nördlich der Stadt wurden von 1951 an Kernwaffentests durchgeführt und das Museum widmet sich dieser Zeit mit einer Ausstellung, die mir persönlich allerdings ein wenig sonderbar vorkam. Okay, die wissenschaftlichen Fakten darzustellen ist eine nette Sache und interessant dazu, aber es war doch auch eine Menge Rechtfertigung dabei. Augenzeugen und ehemalige Mitarbeiter betonen in Videosequenzen immer wieder die Richtigkeit und Wichtigkeit der Tests bis zu deren endgültigem Ende im Jahr 1992 und am Ende des Rundgangs widmet sich ein ganzer Raum dem 11. September 2001. Aber ansonsten war es schon interessant, wie z.B. in den Fünfzigern mit der Atombedrohung umgegangen, ja, man muss schon sagen, gespielt wurde. Da gab es eine Miss Atomic Bomb 1957, Berechnungstabellen für den Hausgebrauch (in etwa nach der Art: nach wievielen Tagen kann ich das Wasser wieder trinken) usw. Zum Schluß wurde auch noch geklärt, wie heutzutage, nach dem endgültigen Ende der Tests trotzdem experiementiert wird (sogenannte subkritische Experimente). Es soll ja niemand denken, dass es nicht dann und wann doch mal einen kleinen Bums in der Wüste gibt. Und es soll auch niemand deswegen auf nur die Amis schimpfen. In Russland passiert das gleiche, bloss gibt es dort nicht so "viel" Öffentlichkeit. Soweit mal zu meinem Abstecher in die jüngere Geschichte Nevadas.
Nach dem Museum ging es direkt in die Downtown oder das, was davon am berühmtesten ist: der Strip: die Straße, an der die wichtigsten Hotels und Casinos der Stadt versammelt sind. Doch wo stellt man in so einer Stadt das Auto ab? Auch kein Problem, denn das ist in die Casino-Investitionen eingepreist: alle Hotel- und Casino-Parkhäuser (10 Etagen hoch!) bieten freies Parken an. Einfach selbst reinfahren oder - valet parking - das Auto am Eingang abgeben, es wird dann eingeparkt. Letzteres kostet jeweils 2-3 Dollar Trinkgeld, ansonsten ist das Abstellen von Autos zum Nulltarif zu haben. Die Aufzüge führen denn auch vom Parkdeck direkt ins Casino, denn dort soll ja das Parkentgelt wieder reinkommen.
Casino-Besuch: für mich war das nun etwas absolut neues. Noch nie im Leben hatte ich eine solche Einrichtung von innen gesehen. Jetzt stand ich also mittendrin zwischen den slot machines, Pokertischen, Roulette-Anlagen und so weiter. Eine wahnsinnige Geräusch-Kulisse aus Musik, Pieptönen von Einarmigen Banditen, Jubelrufe der Gewinner und allem, was noch dazukommt. Hier musste ich erstmal schnell wieder raus. Dann ging es ein paar Hundert Meter den strip entlang mit einem längeren Aufenthalt an einem Casino der etwas anderen Art. An einer Straßenkreuzung hatte ein Hütchenspieler seinen Stand aufgebaut, der nur aus einem flachen Karton und drei Spielkarten bestand. Und der Mann hat hier die Leute abgezogen, einfach unglaublich. Die haben gedacht, die könnten den Typen austricksen, aber der hat sich natürlich mit System austricksen lassen und so die Leute angeködert und dann abkassiert. Ich glaube auch, dass der noch mindestens ein oder zwei Leute unter den Zuschauern hatte, die mit ihm zusammenarbeiten, mittippen und gewinnen oder aufpassen, wer zu tricksen versucht - oder einfach den Leuten die Geldbörsen klauen, währenddessen sie gebannt auf die hin- und herschwirrenden drei Spielkarten starren...
Danach habe ich noch selbst drei Casinos besucht, die am Wegesrand lagen, unter anderem das "New York" mit dem Hotel, dass den Wolkenkratzern der Welthauptstadt nachempfunden ist. Ist natürlich nur ein bloßer Abklatsch, aber sehr publikumsattraktiv. Wie gesagt, in den Casinos brummt es und der Rubel rollt. Ohne weiteres setzen die Leute hier tausende um, und es sind Leute wie du und ich, in Touristenklamotten mit Kinderwagen. Die Zeit der Krawattenpflicht ist längst vorbei. Hier tragen nur noch die Security-Leute und die Dealer und Croupiers Schlipse. Es sind irre Glücksfabriken, die allerdings jede Menge Ausschuss produzieren, denn hier kann niemand "mit System" gewinnen (ausser vielleicht ein wenig beim Pokern). Die Automaten arbeiten absolut nach Zufallsgeneratoren, die Black-Jack-Karten kann keiner mehr zählen, da sie ständig gemischt werden und überhaupt ist alles kameraüberwacht, selbst das Rad beim Roulette. Wer hier gewinnt, gewinnt durch Zufall. Meistens wird verloren, anders sind die Gewinne der Casinos ja auch gar nicht realisierbar. Aber die Stimmung ist phantastisch, die Leute sind gut gelaunt, auch wenn sie verlieren. Und damit das so bleibt, gibt es Annehmlichkeiten, die den Gästen gerne zur Verfügung gestellt werden. Ich nenne mal zur Orientierung drei Stufen (dazwischen gibts bestimmt noch mehr): Servieren von Drinks an den Automaten und Spieltischen; Rückenmassage-Service am Spieltisch; Mädchen, die auf Laufstegen tanzen und relativ wenig angezogen haben...
Wenn man nun drei oder vier Casinos von innen gesehen hat, merkt man rasch, dass bis auf die casinospezifische Kleidung der Angestellten sich die Dinge doch sehr ähneln. Am Eingang die Automaten für kleine Spieler mit Einsätzen von einem oder fünf Cent, dann links und rechts am Rand die langen Reihen der Automaten für richtige Spieler (Einsatz 1 Dollar), in der Mitte die Tische für Roulette, Black-Jack, Poker usw. Irgendwo gibts noch die "Fressmeile", den Infostand für die abendlichen Shows und die Chip-Ausgabe. Chips kann man übrigens auch am Geldautomaten erhalten.
Das also ist Las Vegas. Eine wahnsinnig brummende Stadt, faszinierend und gleichzeitig doch etwas nachdenklich machend. Wer sich nun auch noch für Shows interessiert oder gar in einem der Casinos den einen oder anderen Hunderter einsetzen möchte, dem sei ein mehrtägiger Besuch dringend angeraten.

(Bilder folgen noch, bin einfach zu müde jetzt)

1 Kommentar:

Mirko hat gesagt…

... und du bist nicht der Versuchung erlegen, mal ein paar Münzen in der Schlund eines Spielautomaten zu werfen? Respekt!
Kostenlos Parken in der Innenstadt! *träum*

Der sorglose Umgang mit den Folgen von Atomtests ist sicherlich auf beiden Seiten aus heutiger Sicht fragwürdig. Ich glaube nur nicht, dass die Russen daraus eine Unterhaltungsshow gemacht haben.
Ich glaube aber auch mit Röntgengeräten wurden in der ersten Zeit Partyspiele gemacht, bis man gemerkt hat, dass einem davon faustgroße Geschwüre wachsen.