18 Juli 2014

Wieder was gelernt...

Gestern gab es keinen neuen Eintrag im Blog und vorgestern nur einen ganz kurzen "Vertröstungs-Post". Ich bin gerade dabei, das "Entfernungsgefühl" von Schweiz auf USA umzustellen. Und das geht so: am Vortag Pläne machen für den nächsten oder die nächsten Tage und an denen dann feststellen: es läuft so nicht. Und dann korrigieren. So jedenfalls passierte es mir, als ich noch in Los Angeles war und leichtfertig ein Hotel - billigster Preis - in Blythe buchte. Es gibt in Kalifornien ein Kaff, das heisst Desert Center. Blythe ist kein Kaff, aber die geografische Position ist in etwa die gleiche und ich dachte, wenn ich dann auf dem Weg dorthin bin, kann ich hier und da noch einen Abstecher oder einen Umweg machen. Das war eine gute Idee, leider völlig daneben, denn bis nach Blythe sind es von Los Angeles ca. 250 Meilen auf der schnellsten Route und ich hatte schon die Landstrasse gewählt, die sehr viel länger ist. Irgendwann bin ich dann ziemlich müde angekommen und es hat gerade noch für ein Abendessen und eine (wie sich später herausstellte: völlig sinnlose) Reservation gereicht.
Tags drauf wurden die Vorräte noch ergänzt im Ranch Market, der fast nur abgelaufene Produkte hatte, auch das erst nachher mitbekommen... Dann ging die Fahrt wieder los zum etwa 100 Meilen entfernten Alamo Lake State Park, schon in Arizona, ziemlich mittig im Nirgendwo. Dort wollte ich erstmals seit 25 Jahren wieder Camping ausprobieren und damit nicht schiefgehen konnte, hatte ich eben dafür einen Platz reserviert. Alamo Lake, hörte sich erstmal gut an. Badesee, für Bootfahrer und Angler sehr geeignet und trifft in Amerika zwei weitverbreitete Hobbies, die Campgrounds nummeriert, was für eine gewisse Organisation spricht. Ich hatte mich für Area D, Platz 8 entschieden. Möglichst weit entfernt von den Wohnmobilen, wegen der Klimaanlagen und Generatoren etc. Weil es noch so früh war, wählte ich wiederum einen kleinen Umweg und wollte den Park von der Ostseite her anfahren, über die Old Alamo Road. Die Ausfahrt vom Highway auf diese Strasse habe ich erst bemerkt, als ich dran vorbeifuhr, aber schon der kurze erste Blick sagte mir: diese 40 Meilen Umweg kann ich gleich zurückfahren. Das habe ich mir, nachdem ich gewendet bin, durch den eigenen Augenschein bestätigt: unpaved road natürlich, aber nicht gewartet, riesige Warnschilder und Ablehnung jeglicher Verantwortung durch den Strassenträger. Und die Strasse selbst hatte so etwas afrikanisches: Sand und riesige ausgewaschene Löcher. Das Risiko wollte ich nicht eingehen, denn die Gegend erschien mir doch recht einsam und die Temperatur lag irgendwo bei 41 Grad. Also umkehren und den offiziellen Weg nehmen, denn ich dann auch gefunden habe. Vom Highway 30 Meilen asphaltiert bis in den State Park, wunderbar stille Wüstenlandschaft. Etwas sehr still, wie ich irgendwann bemerkte. Niemand folgte mir und niemand kam mir entgegen. So zogen sich die Meilen hin und irgendwann, kurz vor Erreichen der Rangerstation kam mir der Gedanke: Pass mal auf, wenn du da ankommst, hängt ein Zettel am Office: Lieber Michael, du bist allein im Park, such dir einen Platz aus. Und genauso war's dann auch, bloss dass der Ranger mir das persönlich gesagt hat: es war niemand sonst im Park ausser er und seine Familie und ein Paar in einem Wohnmobil, die Dauercamper waren und ansonsten den Parkladen betreuen. Und der Grund ist auch ganz einfach: Es ist zwar der richtige Ort, jedoch die falsche Jahreszeit. Hochsaison ist hier im Januar/Februar. Jetzt im Juli, bei über 40 Grad geht niemand sonst campen, ausser Leute, die keine Ahnung davon haben, also so Leute wie ich. Aber was soll's, jetzt war ich da und jetzt bleibe ich auch. Der Ranger verlegt noch meinen Platz von Area D nach Area A: "Dort hast du Dusche und WC. In Area D hast du nichts." Was stimmte, denn ich hab mir das nachher noch angeschaut. Area D war der Bereich, der ausser einem Plumpsklo nichts hatte an zivilisatorischen Errungenschaften. Übrigens lag Area D etwa 3 Meilen von A entfernt, man könnte also nicht mal schnell rüberspringen...

Burros, ein Eselart, leben frei im Park und besuchen Nachts und
am sehr frühen Morgen die Zelte der Camper

So habe ich dann also mein Zelt aufgebaut, mit dem Ranger geschwatzt und mir noch Eis für die Kühlbox geben lassen. Dann musste der Ranger nach Hause. Es war etwa 16 Uhr, das Thermometer zeigte 106° Fahrenheit und an Abkühlung nicht zu denken. Mit ein bisschen im Park herumfahren habe ich dann tatsächlich die Zeit bis zum Abendessen und einem wunderschönen Sonnenuntergang herumgebracht, habe die freilebenden Burros kennengelernt und bin dann gegen 20.30 Uhr in mein Zelt gekrochen. Leider war an Schlaf vorerst nicht zu denken, denn in dieser Wüste kühlt es nicht so schnell ab, wie man denkt. Der aufgeheizte Boden gab kontinuierlich bis zum frühen Morgen seine tagsüber gespeicherte Wärme wie eine Fussbodenheizung ab. Mehr brauche ich wohl nicht zu sagen... Es ist eben nicht die Saison zum Campen, jedenfalls nicht hier in der Mohave Wüste.
Entschädigt wurde ich dann morgens mit einem wiederum wunderschönen Sonnenaufgang und einem Frühstück mit Kaffee vom Campingkocher usw. Am See waren dann auch ein paar Angler schon unterwegs und der Ranger hat seine Kontrollfahrten gemacht - alles in Ordnung also. 

Camperfrühstück

Zusammenpacken, Check-Out und Abfahren, das war erstmal mein erster Camping-Versuch. Die nächsten zwei Nächte finden dann wieder mit den Annehmlichkeiten eines Hotels statt, nämlich Flagstaff, Arizona. Von hier aus, so war der Plan, wollte ich zum Grand Canyon fahren und dort wandern. Einmal vom Rand (Rim) bis zum Grund, zum Colorado River und wieder nach oben. Wie in den Alpen, bloss umgekehrt: erst runter, dann rauf. Und garantiert keine Seilbahn. Durch ein paar Recherchen und einige spitze Bemerkungen in meinem Umfeld (zu Hause) habe ich jetzt doch etwas Angst bekommen, ob das gehen kann. Die letzte Wanderung in den Alpen hatte ca. 1.600 Höhenmeter, 14 Kilometer Weg und das bei angenehmen Temperaturen.  Grand Canyon wären ca. 1.400 Höhenmeter (erst runter dann rauf), ca. 26 Kilometer Wegstrecke und Temperaturen bis 40°.... Tja, im Moment sitze ich im Hotel in Flagstaff, lasse es mir im übrigen gutgehen, so ist es nicht, und mache eine langwierige Chancen-Risiken-Abwägung....
Die Zusammenfassung der letzten 2 Tage könnte also in wenigen Worten lauten: nimm dir nicht zuviel vor.

High Desert Arizona. So schön ist die Wüste.
Das kann man gar nicht auf Foto festhalten.

2 Kommentare:

bildpixel hat gesagt…

Hallo Michael, das liest sich sehr abenteuerlich. Behalte einen kühlen Kopf und verbrutzle nicht. Alles Gute mein Freund und Grüße aus der fernen Heimat bei angenehmen 28 °C.
Deine Fam. Gerloff

Unknown hat gesagt…

Hallo Michael,
schön alles zu lesen. Danke für deine wunderbaren Sätze. Die Wanderung würde ich empfehlen, weil ich einen Freund habe, der dies als absolut lebenswichtiges Ereignis eingestuft hat. Vielleicht kannst du ja einen Teil des Weges gehen, wenn es zu heiß wird. Alles Gute und Gottes Segen. Sepp