17 Oktober 2016

Air Pollution Index: 350

Falls ich es noch nicht erwähnt hatte: Peking ist eine der Smog-Hauptstädte dieser Welt. Unser Guide Herr Wang hatte eine gute Erklärung: Weil in der Wüste im Westen so viele Bäume gepflanzt wurden, kommt der Wind nicht mehr so richtig nach Peking und der Smog wird nicht abgetrieben. Gesunde Zweifel sind angebracht. Allerdings hatte er sicher mit einem Recht: da auch die Mächtigen der Partei atmen müssen, wird etwas geschehen. Frage ist: was und wann?
Während unseres Besuches jedenfalls passierte nichts und der Air Pollution Index schwankte zwischen 250 und 350, wobei bei einem Wert von 100 eine kritische Schwelle für empfindliche Personen liegt, bei 150 eine Gesundheitsgefährdung eintritt, ab 200 eine Vergiftung und ab 300 jegliche Aktivitäten draussen vermieden werden sollten. Tröstlich: in den Tagen in Peking, wo sich ca. 20 Millionen Menschen nicht gegen die Luftverschmutzung wehren können, gab es in Indien einen Ort mit einem Indexwert von über 700… Und da in Indien, wie wir von Herrn Wang erfahren durften, sowieso alles viel schlechter ist, ist somit in Peking alles im grünen Bereich….

Olympiapark im Smog

Sport wird hier schon seit 2008 nicht mehr getrieben. Und der Himmel
über Peking ist nur im Werbefilm so blau...

Überhaupt: Herr Wang: durch ihn sind wir in den letzten beiden Tagen unseres Peking-Besuches nochmal zu so etwas wie Staatsbürgerkunde-Unterricht gekommen, nur eben aus chinesischer Sicht. Er hat uns ja einiges durchaus Kritisches über das heutige China und seine Probleme erzählt. Dadurch konnten wir ein wenig besser verstehen, warum hier die Dinge so laufen, wie sie nun mal laufen und was auch aus Sicht der Chinesen einfach nicht gut ist. Jedoch zwei Themen sind unantastbar: Taiwan und Tibet. Taiwan ist eine chinesische Provinz, untrennbarer Teil von China und derzeit abtrünnig. Aber durch die Politik der Volksrepublik werden die Taiwaner irgendwann erkennen, dass eine Rückwendung zum Mutterland viel besser ist, als eine Hinwendung zu Amerika (wie derzeit). Die Taiwaner würden schon noch erkennen, dass die USA der grosse Feind sind und alle anderen nicht hochkommen lassen wollen. Deswegen muss China wachsen und alle anderen überflügeln, koste es, was es wolle. China ist die Nummer 1! Dann werden die Taiwaner dank ihrer demokratischen Möglichkeiten sich für die Volksrepublik entscheiden.

Und Tibet wurde vor 50 Jahren von der Sklavenherrschaft des Dalai Lama befreit. Und seiner Beamten, die das Volk unterdrückt haben. Seit der Befreiung geht es aufwärts und überhaupt gehört Tibet ja schon seit Jahrhunderten zu China. Man mag das mit Herrn Wang nicht länger zu diskutieren. Einerseits wissen wir zu wenig, andererseits hat es einfach keinen Zweck, denn auch Herr Wang (übrigens der häufigste Name in China uns somit einigermassen repräsentativ) weiss wahrscheinlich zu wenig und kennt nur seine – die offizielle chinesische – Wahrheit. Als Aussenstehender mag man sich fragen, wozu dann die ganze Militärpräsenz in Tibet, wenn doch die Leute dort mit Freuden Teil der Volksrepublik sind. Oder wozu die gesonderte Einreise-Genehmigung für jedermann oder warum werden in Tibet unzählige Han-Chinesen angesiedelt und die Tibeter zu einer Minderheit im eigenen Land gemacht? Auch dazu hätte Herr Wang eine Erklärung: entweder es stimmt nicht oder man muss sich schützen vor Amerika.

Und überhaupt: China ist ja nur von Feinden umgeben, die alle die Volksrepublik angreifen wollen oder würden. Im Uhrzeigersinn: Russland, Japan, Südkorea, Philippinen, Indonesien, Vietnam, Thailand, Laos, Myanmar, Bangladesch, Bhutan, Nepal, Indien, Pakistan, Afghanistan, Tadschikistan, Kirgisistan, Kasachstan, Mongolei und ja: auch Nordkorea.

Was ich China zugutehalten muss in dieser ganzen Konstellation: sie haben halt in ihrer langen Geschichte schlechte Erfahrungen gemacht und mehrmals wurde das Land von ihren Nachbarn heimgesucht, die sich nicht gerade zivilisiert aufgeführt haben: Mongolen, Japaner, Briten, Amerikaner… Das macht vorsichtig und misstrauisch. Trotzdem kam uns das Feindbilddenken etwas antiquiert vor und aus europäischer Sicht gäbe es doch ganz einfache Lösungen. Aber das ist eben nicht die Sache von Herrn und Frau Wang (repräsentativ).


Meine Übersetzung: "Unsere Besten" ... Kennen DDR-Bürger ja auch noch...

Neben unserem Staatsbürgerkunde-Unterricht haben wir auch unser Besichtigungsprogramm weiter abgespult. Am Freitag ging es zur Grossen Chinesischen Mauer nördlich von Peking. Nach einer Autofahrt durch den Smog kamen wir in Mutianyu an, einem der am besten erhaltenen Abschnitte mit sehr schönen Zinnen und Wachtürmen. Ganz so, wie man sich die Chinesische Mauer vorstellt. Sogar das Wetter klarte etwas auf uns wir konnten einen grösseren Abschnitt überblicken (mit ein bisschen Drehen an den Reglern kann man auch aus schlechten Bildern noch fast gute machen…). Die Mauer verfolgte damals schon den Zweck, sich gegen den Böfei im Norden zu schützen, die Mongolen. (Komischerweise denkt heute kein Chinese daran, dass die Gebiete nördlich der Mauer vielleicht zur Mongolei gehören könnten…). Heute ist sie Welterbe und Touristenmagnet. Zum Glück waren am Donnerstag nicht so viele Besucher da und wir konnten in aller Ruhe in den 2 Stunden, die uns Herr Wang zubilligte, auf der Mauerkrone herumschlendern. In dem von uns besuchten und einigen anderen Abschnitten ist die Mauer in sehr gutem Zustand, doch leider gibt es auch sehr viele und lange Abschnitte, die in einem beklagenswerten Zustand sind. Zumindest hat die Regierung verboten, dass die Mauer zum Zwecke der Steingewinnung für Wohnhäuser abgetragen wird. Die Erhaltung eines so grossen Bauwerkes – mehrere Tausend Kilometer lang – muss Unsummen an Geld kosten und ich würde gerne mal eine längere Tour an der Mauer machen. Der Besuch in Mutianyu hat uns jedenfalls sehr beeindruckt.


Die höchst beeindruckende Chinesische Mauer.
Flache und steile Abschnitte wechseln sich ab.

Ein beeindruckendes Stück Geschicht.
Und viel zu tun und zu verantworten für den Staat.

Ein wenig gut erhaltener Teil der Mauer in weiter Ferne
(ich bin erstaunt, was trotzdem noch auf dem Bild zu erkennen ist)

Konfuzuius lächelt belustigt... 

Für Samstag und Sonntag Vormittag standen dann noch diverse Baudenkmäler auf unserem Programm:
  • Der Olympiapark von 2008, der im Wesentlichen leer vor sich hinsteht, fast im Smog verschwunden
  • Der Sommerpalast, eine Kleinausgabe der Verbotenen Stadt, in der der Kaiser von April bis Ende Oktober wohnte
  • Der Lamatempel, der die Verbundenheit Tibets mit China zeigen soll/muss
  • Der Konfuziustempel, zu dem Herr Wang überhaupt nichts zu sagen wusste
  • Der Himmelstempel mit dem Mittelpunkt der Welt. Die Kaiser zogen zweimal jährlich hierher, um vor dem Himmel Rechenschaft abzulegen und für gute Ernte zu beten. Die Halle des Erntegebets ist das Wahrzeichen von Peking.
  • Zum Schluss unseres Peking-Ausfluges besuchten wir noch den Antik-Markt in Panjiyuan, der angeblich grösste Flohmarkt Chinas. Erst war ich etwas unmotiviert, denn auf dem Markt gab es zumeist „neues“, hauptsächlich Handwerkskunst, aber auch ein viele antiquarische Stände mit Mao-Bibeln, Revolutionsplakaten und ganz vielen Büchern aus dem Westen. Am Ende war es noch ein witziger Abschluss, denn das Markttreiben und die vielen Stände gaben zum Schluss nochmal einen kurzen Einblick in das Pekinger Leben.

Die "Halle des Erntegebetes"
Das schönste Gebäude in Peking und Wahrzeichen der Stadt 

Markttreiben...

Noch mehr Markttreiben...

Und noch mehr. Business as usual...

Essensmässig mussten wir uns selbst versorgen, d.h. am Mittag gab es gar nichts. Frühstück im Hotel und am Abend haben wir uns ebenfalls weitgehend im Hotel versorgt. Jedoch einmal wollten wir ganz ordentlich ausgehen und Peking-Ente essen in einem traditionellen Restaurant. Dieses haben wir nach einigem Suchen auch gefunden: ein 600-jähriges Pekinger Lokal in einer grossen Einkaufsmall (???) und mit langer Warteschlange vor der Tür. Als wir endlich an der Reihe waren, stellte sich heraus, dass vom Personal nur eine Person ein paar Brocken Englisch verstand. Das wurde dann unsere persönliche Kellnerin. Das Menü war typisch mit Bildern und sogar mit englischen Untertiteln versehen. Eine Peking-Ente erschien uns dann schliesslich zu gross (ständig wurden an unserem Tisch welche vorbeigetragen…), so entschieden wir uns für Suppe, Gemüse und ein Hühnchen, auf das ich sehr deutlich mit dem Finger in der Menükarte gezeigt habe. Schliesslich kamen dann Gemüse, Salate, Suppe und Reis und sogar Bier, aber was auf sich warten liess, war das Huhn. Und es kam auch den Rest des Abends nicht mehr und stand, wie ich später bemerkte, auch gar nicht mehr auf unserem Bestellzettel. Irgendwas ist falsch gelaufen an dem Abend und wir haben somit eine wunderbare vegetarische Pekingente gehabt. Nach wie vor bin ich der Meinung, dass der Fehler irgendwo beim Restaurant lag. Wenn also nicht mal die Essensbestellung funktioniert, dann wird das nichts mit der Weltherrschaft...


Unsere Essensbestellung. Das Huhn? Steht nicht drauf.


Mao und Buddha: wer wird zuletzt lachen?
(Subversives Handeln hat viele Gesichter...)



13 Oktober 2016

Ein bisschen Propaganda

Heute war unser Propaganda- und Kulturtag. Mister Wang, unser Guide, holte uns um 9 Uhr im Hotel ab und dann ging es sogleich auf die kurze Fahrt zum Tian’anmen-Platz, dem Platz des Himmlischen Friedens. Dieser ist heute und seit 27 Jahren gar nicht so friedlich abgesperrt und zugegittert und von hunderten Militärpolizisten bewacht. Die Anzahl der Kameras, die von überall her auf den Platz herunteräugen, kann man nur ganz grosszügig schätzen. Auf welch wackligen Beinen muss ein Riese stehen, wenn dieser ganze Bewachungsaufwand nötig ist?

Auf dem Platz des Himmlischen Friedens.
Huldvoll lächelt der Vorsitzende Mao über das Volk

Wieso steht der Feuerlöscher da?

 Ansonsten ist der Platz riesig, eben so wie man sich ihn vorstellt nach den vielen Jahren Fernsehberichten aus China. Auf der Südseite steht das Mao-Mausoleum. Drei Stunden anstehen und man kann den konservierten hochverehrten Vorsitzenden Mao seine Reverenz erweisen (haben wir nicht gemacht). Rechterhand, auf der Ostseite steht das monumentale Chinesische Nationalmuseum. Das – wie könnte es anders sein – grösste Museum der Welt. Wir waren auch da nicht drin. Gegenüber des Museums steht die Grosse Halle des Volkes, das Parlaments- und Parteitagsgebäude. Da waren wir drin und davon wird noch die Rede sein.
Und zum Schluss, auf der Nordseite und gen Süden gewandt das Tor des Himmlischen Friedens, Namensgeber für den Platz und Haupteingang (aber früher nur für den Kaiser) zur Verbotenen Stadt. Und darüber das berühmte Mao-Bildnis unter der Balustrade, von der aus er am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik China ausrief, nach jahrelangem Bürgerkrieg und japanischer Besatzung. Geradezu milde lächelt der Vorsitzende von seinem Platz über den Platz und wirkt ganz frisch und neu. Das mag hauptsächlich daran liegen, dass das Bildnis jedes Jahr im September erneuert wird, damit auch kein noch so kleiner Altersfleck den Nimbus, den Mao vor allem bei älteren Chinesen geniesst, ankratzen könnte.


Tian'anmen - Das Tor des Himmlischen Friedens.

Leider war das Tor des Himmlischen Friedens heute nicht geöffnet, somit mussten wir die Verbotene Stadt durch eines der Nebentore (eines für Beamte und eines für Soldaten) betreten. Die ganze Riesenanlage, von der ich immer dachte, es wäre eine parkähnliche Ansammlung von Palästen, ist in einer strengen Abfolge aufgebaut. Innenhof folgt auf Innenhof und jedes Tor und jeder Weg hat seine ganz bestimmte Bedeutung gehabt. Der Kaiser wurde auf einer Sänfte natürlich getragen und jede Halle war nur ganz bestimmten Personen zugänglich.  Insgesamt muss das Regieren hier ein ziemliches Getue gewesen sein. Man denke allein an die langen Wege. Und der Kaiser musste sich auf seine Beamte gut verlassen können, denn wie sonst sollte der arme Mann Entscheide treffen, die allen gerecht werden – oder mindestens den wichtigen Leuten in seiner Umgebung.
Am Ende der Tour und nach ein paar Einlassungen unseres Mister Wangs war für uns klar: In China wird das Modell „Europäische Demokratie“ für China als unzulänglich angesehen, aber den Kaiser wollte man auch nicht mehr. Also hat man den Kaiser durch die Partei ersetzt, ansonsten blieb alles beim Alten: die Beamten, die Soldaten und die Zivilisten. Wie seit 3000 Jahren.

Die Halle der Höchsten Harmonie in der Verbotenen Stadt
In der Verbotenen Stadt. Solche Innenhöfe folgen auf solchen.
"Wir folgen dem Vorsitzenden Mao"
Ach nein, das hier ist historisch. Bis in die höchsten Spitzen sehr deteilliert.

Heute muss die Partei natürlich noch ein bisschen Propaganda machen und tatsächlich und endlich habe ich gefunden, wonach ich suchte: ein aktuelles Partei-Plakat. Ziemlich lahm, aber immerhin. Auf meine Frage an Mister Wang, was da drauf steht, winkte er ab: „Ach komm, das ist nur Propaganda.“ Okay, dann übersetze ich mir das eben selbst: „Denke daran: mit den Lehren des Vorsitzenden und der Partei zum Sieg!“ Oder so ähnlich…

Oder so: "Die Lehren des Vorsitzenden Mao verhelfen zum Sieg!" Oder so

Nach einem Rundgang durch einen Park mit See – am lustigsten waren die gelben Enten-Tretboote – erklärte uns Herr Wang, das wir jetzt fertig seien und um alles andere müssten wir uns selbst kümmern. Genau! Da war ja noch die Grosse Halle des Volkes. Wenn Parlamentsgebäude solche Namen tragen, ist gesunde Skepsis angezeigt. Einerseits. Andererseits lockt sowas zum Besuch und somit musste uns der Fahrer an der Halle absetzen und wir haben eine kurze Tour durch ein Parlamentsgebäude gemacht, dass ein Mal jährlich benutzt wird, nämlich dann, wenn der nationale Volkskongress zusammentritt und durchwinkt, was die Partei in ihrer Weisheit bereits beschlossen hat. Früher sprangen die Abgeordneten noch im Gleichschritt auf und klatschten rhythmisch zu den Reden der Partei- und Staatsführer. Diese Zeiten sind wohl vorbei, aber mehr Macht und Einfluss hat das Parlament deswegen nicht. Ob dieses ganzen Stillstandes ist das Gebäude in einem Zustand, den man als „konserviert“ bezeichnen könnte. Alles ein bisschen runtergekommen, aber nicht gerade kaputt. Das Inventar, die Stühle und so sind im Design der Erbauungszeit (Ende 50er Jahre) und überhaupt scheint die ganze „gute alte Zeit“ in dem Riesenkasten zu stecken. Im Gegensatz zu Maos Leichnam gegenüber im Mausoleum oder zum Bildnis am Tor nagt hier ganz eindeutig, aber ganz langsam der Zahn der Zeit. Leider mussten wir bald wieder raus, der öffentliche Teil des Tages war vorbei. Gerne hätte ich noch den Parteitagssaal gesehen, aber der war wohl ohnehin nicht öffentlich zugänglich. Der Eintrittskartenschalter und die Taschenaufbewahrung waren übrigens auch ganz im Stile früherer Zeiten. Hier, inmitten des aufstrebenden Chinas, an der Grossen Halle des Volkes, hat sich die Zeit praktisch nicht verändert und ausser den Alu-Marken, die bei der Taschenaufbewahrung ausgegeben werden, bewegt sich hier auch nichts.


???


Sozialistischer Klassizismus: Mit Mao zum Sieg. Aber auch Mao ist verstorben und entgegen seinem Wunsch wurde er einbalsamiert und un-ruht seitdem rechterhand im Mausoleum

Den Rückweg vom Tian’anmen zu unserem Hotel machten wir zu Fuss. Zum Glück, denn so kamen wir noch in das Vergnügen, ein Postamt von innen zu bestaunen. Im Gegensatz zur Grossen Halle hat sich die Zeit hier nicht ganz so lang nicht bewegt, vielleicht nur 35 Jahre. Eine offene Schalterhalle, ganz morbider Charme, Pressplatten-Mobiliar, dass von ungezählten Händen schmutzig und schmuddelig ist. Auf den Computermonitoren alte DOS-Programme, Endlos-Druckerpapier auf Vorrat. Und alle Postbeamtinnen werden aus der gegenüberliegenden Seite überwacht vom Postvorsteher, der sein eigenes kleines Karee neben den Eingangstüren hat und eigentlich nur an seinem Schreibtisch sitzt. Ich liebe es. Aber leider konnte ich keine Fotos machen.


Das "Playmate" des Monats - interessiert sich nicht für Politik

12 Oktober 2016

Kulturrevolution

Der Vorsitzende Mao Zedong wurde und wird ja im Westen immer wieder gerne verklärt und es gab Zeiten, wo es sich in bestimmten Kreisen geziemte, eine Mao-Jacke zu tragen. Auf unserer China-Reise haben mein Vater und ich schon des öfteren gewitzelt, ob wir nun endlich in Peking jemanden sehen, der diese Jacke aus offensichtlicher Überzeugung trägt. Doch genauso wie mein Bruder Benjamin uns in Shanghai bezüglich der Parolen enttäuschen musste, genauso hat uns heute unser Guide hier enttäuscht. Ein Mao-Jacke sieht man nicht mehr. Nicht mal mehr die Parolen, nach denen ich doch so gerne Ausschau gehalten hätte. Einzig die Propaganda-Plakate aus der Chaos-Zeit der Kulturrevolution sind gelegentlich noch als Relikte ausgestellt. Niemand erinnert sich gerne an diese Zeiten zurück.

Heute haben wir, das heisst, Uli und ich (Benjamin ist auf Hainan – dem Hawaii Chinas und sicher auch unendliche Quelle für Blogeinträge) nach Peking gereist. Mit China Eastern Airlines, die mit ihrem Bord-Entertainment ganz der asiatisch-chinesischen Linie zu folgen scheinen: kein Kind ist klein genug, um nicht schon radikalisiert zu werden. Nur Mord und Totschlag und Propaganda. Das war, muss ich ehrlich sagen, etwas abstossend.

Peking unterschied sich dann ersteinmal durch die Luftqualität. Shanghai ist ja auch nicht gerade als Luftkurort bekannt, aber das, was wir in Peking antrafen, übertraf dann Shanghai bei weitem und ebenso meine Erwartungen. Eine trübige milchig-gelbe Dunstglocke liegt über der 20-Millionen-Hauptstadt. Nichts für verwöhnte Mitteleuropäer, die Alpen-Bergluft gewohnt sind. Nun denn, aus dieser Brühe kommen wir die nächsten Tage nicht heraus. Herr Wang, unser deutschsprachiger Guide für die nächsten Tage empfängt uns aber ganz gelassen und zeigt uns zum Einstieg einen echten Pekinger Hutong, eine dörflich anmutende Siedlungsform inmitten einer Millionenstadt und von dieser sogar mitten im Zentrum. Mehrere Familien siedeln sich um eine Wasserquelle an und errichten dort typische flache, lange Häuser, die von einer Mauer umgeben ist. Innerhalb dieser „Compounds“ wohnen die Menschen und zu den Gassen heraus liegen die verrücktesten Geschäfte: Baumärkte mit 10 Quadratmetern Grundfläche, Garküchen, Ladestationen für Moped-Batterien (dass man so viele Stecker.-Verteiler verzweigen kann, ohne dass die Sicherung rausspringt, wusste ich gar nicht...), Obstläden, Saftläden, dazwischen Mütter, die auf offener Strasse ihre Babies windeln. Ich glaube, originaler geht es gar nicht. Das scheint tatsächlich der  ursprüngliche Lebensstil der Pekinger Bewohner gewesen zu sein bzw. ist es an wenigen Stellen noch. Die Hutongs sind auf dem Rückzug. Die jüngere Generation will mehr Platz und mehr Komfort und Bodenspekulationen treiben die Bewohner in die Aussenringe von Peking. Wenn das erledigt ist, werden die alten Hütten abgerissen und moderne Hutongs errichtet, in denen dann nur noch eine Familie mit entsprechend Geld auf dem Konto lebt – umgekehrte Wohnraumverdichtung.

Hauptstrasse im Hutong.
Das Wort stammt aus dem Mongolischen und bedeutet Wasserquelle

Baumarkt (links im Bild!)


Noch ein wenig Geschichte: Im Wesentlichen sind uns heute zwei von Maos Kampagnen zumindest begrifflich noch bekannt: Der „Grosse Sprung nach vorn“, die Industrialisierungswelle, die mit 40-50 Millionen Toten endete und ein Riesenchaos hinterliess und die Kulturrevolution, die eine unbestimmte Anzahl Menschenleben forderte, mindestens 400‘000 und ein noch grösseres Durcheinander brachte, dazu unzählige zerstörte Existenzen und Kulturgüter. Erst mit Maos Tod 1976 endete sie bzw. wurde umgehend eingestellt. Deng Xiaoping, einer der späteren Führer der Volksrepublik sagte über Mao, er habe 70 Prozent gut gemacht und 30 Prozent schlecht und diese 30 Prozent dürften sich nie wieder wiederholen. Ich glaube, diesem Gedanken folgen die meisten Chinesen. (Deng war übrigens einer der letzten, die immer in Mao-Jacke aufgetreten sind.)
Ansonsten sind sich die Forscher uneinig darüber, welchen Einfluss Mao auf die Entwicklung Chinas nun wirklich hatte und was passiert wäre ohne ihn. Morgen werden wir Mao besuchen. Zumindest sein weltbekanntes Porträt über dem Tor zur Verbotenen Stadt. Vielleicht geistert er ja dort noch ein wenig herum, so wie gelegentlich „seine“ Witze wie der folgende:


Der Vorsitzende Mao nimmt eine grosse Parade in Peking ab. Tausende, Abertausende, Hundertausende Arbeiter ziehen an der Tribüne vorbei. Da erblickt Mao einen Arbeiter mit Fusslappen, während all die anderen barfüssig vorübermarschieren. Sofort lässt er diesen Abweichler herausgreifen und zu sich auf die Tribüne schleppen, wo er ihn zur Rede stellt. Der arme Mann schlottert vor Angst und Ehrfurcht: „Vorsitzender Mao, ich kenne mich mit den Gebräuchen in der Hauptstadt noch nicht so aus. Ich bin doch erst gestern nach Peking gekommen.“ Mao zürnt: „Was? Erst gestern gekommen und schon im Intershop gewesen!“


"Gemeinsam mit dem Vorsitzenden Mao werden die Roten Garden die Lehnsherren zertrümmern" - Oder so ähnlich

Unser Guide, Herr Wang, war heute sehr auskunftsfreudig und fast alle Themen, die mich am modernen China interessieren, haben wir schon mal gestreift: Nordkorea, Waffenimporte, Taiwan, Vietnam, Internetzensur… Herr Wang ist Chinese, aber er redet gern und ich glaube, ich verstehe die Chinesen so langsam besser, auch wenn ich nach wie vor in gewissen Themen sehr skeptisch bin.

Was bleibt als Fazit heute? Peking ist eine Riesenstadt, die sich von der 3000-jährig gewachsenen Kulturstadt in eine Planstadt verwandelt. Ein bisschen davon wollen wir morgen und in den nächsten Tagen sehen. Mittlerweile beginne ich China gern zu haben… 


Im Trommelturm: Früher wurden auf diese Weise die Tageszeiten verkündet.

11 Oktober 2016

Wie ich das Land von Kim Jong Un besuchte

Wie der geneigte Leser sicher schon bemerkt hat, bin ich mit dem Berichten hinterher und die Ausrede „lahmes Internet“ oder „chinesische Great Internet Fire Wall“ zählt in Wahrheit nicht ganz. Somit mache ich mich also auf, den Höhepunkt der letzten Tage zusammenzufassen.

Etwa seit Beginn der Planung dieser Reise nach China stand im Raum, einen grösseren Abstecher zu machen und für mich war ziemlich bald klar, wohin der zu gehen hat. Schon seit vielen Jahren bin ich fasziniert von der Situation der beiden Koreas, dem Konflikt zwischen Nord und Süd und dem absurden Getue, welches die Herrscher von Pjöngjang (Norden) zur Schau stellen. Ganz früher war es Kim Il Sung, den fleissige DDR-Schulkinder noch kennen und der den kommunistischen Staat im Norden gegründet hat. Und den ausufernden Personenkult. Gottgleich starb Kim im Jahre 1994 und wer mag sich nicht an die grotesken Szenen erinnern, die uns via Fernsehen über die Trauer des Volkes erreichten (auf Youtube kann man alles nochmal anschauen).

Nachdem also Gott tot war, kam der Sohn an die Macht: Kim Jong Il. Seines Zeichens Veranstalter immenser Militärparaden im Stechschritt und mit fetziger Marschmusik, auch alles bei Youtube zu sehen. Kim Jong Il schaffte es, den in den späten 80er Jahren begonnenen Tauwetterprozess zwischen Norden und Süden zu beenden und sein an Rohstoffen reiches Land an den Abgrund zu fahren und nebenher die grösste stehende Armee der Welt und ein Atomprogramm zu betreiben. Fast nebensächlich ist dabei seine angeblich weltgrösste Sammlung an XXX-VHS-Videokassettensammlung, welche er nach seinem Ableben seinem Nachfolger-Sohn, einem kleinen dicklichen Jungen von 30 Jahren mit Ausbildung in der Schweiz vermacht haben muss. Neben Fortführung des Atomprogramms, ärgern des Nachbarn im Süden und des treuen Verbündeten China musste Kim Jong Un wohl jetzt auch noch die letzten Restposten von Abspielgeräten für besagte VHS-Kassetten am Embargo vorbei auf Vorrat einkaufen, denn der einzige Hersteller hat seine Produktion 2016 auslaufen lassen. Schwierige Zeiten also für einen Diktator in einer neuen Welt, so ganz abgeschottet und ungeliebt vom Rest der Welt.

Was also lag näher, als Nordkorea da zu besuchen, wo es für „normale“ Menschen mit Hang zu etwas morbiden Vergnügungen noch möglich ist? Tun kann der Tourist dies in Panmunjeom, einer kleinen Militärsiedlung direkt auf der Grenze, der Militärischen Demarkationslinie. Diese zerschneidet Nord- und Südkorea und entstand, nachdem der bereits erwähnte „Grosse Führer Genosse Kim Il Sung“ die koreanische Halbinsel 1950 in den Koreakrieg stürzte, welcher nach 3 Jahren und 4 Millionen Toten zufällig fast auf der vorherigen Grenze mit einem Waffenstillstand endete. Dieser Waffenstillstand gilt bis heute fort (Nordkorea hat den entsprechenden Vertrag aber vor einiger Zeit gekündigt) und wird von Vertretern beider Seiten unter Aufsicht von Militärvertretern aus Schweden und der Schweiz überwacht. In Panmunjeom treffen sich gelegentlich Vertreter beider Seiten zu formellen Gesprächen, aber wohl eher selten. Das absurde dabei ist: die Vertreter beider Seiten sitzen an einem Tisch, durch dessen Mitte die Grenze verläuft. Somit braucht keiner die andere Seite zu betreten und formal bleibt jeder in seinem Land. Drumherum ist die ganze DMZ (Demilitarisierte Zone) abgeriegelt mit Stacheldraht, Wachtürmen, Fahrstreifen etc. Bei Leuten aus Deutschland Ost und West kommen da ganz komische Gefühle auf und die ganze Situation des geteilten Koreas ist auch für die Koreaner ein ewiger Schmerz.
Panmunjeom haben wir also besucht. Mit einem Vorlauf von drei Monaten hat mein Bruder die Tour gebucht, Ausweiskopien geschickt, nachgefragt und immer wieder den Status gecheckt. Nichts sollte dem Zufall oder einer Nachlässigkeit überlassen sein, denn die Kontrollen sind strikt und die Richtlinien absurd: keine legere Kleidung, geschlossene Schuhe, keine beschrifteten Kleidungsstücke, Winken verboten, Fotografieren sowieso, ausser  an genau drei Orten. Unser Guide, eine junge Koreanerin namens Frau Li würde uns laut und deutlich sagen, wann wir Fotos machen könnten. So präpariert fuhr unser Bus in die DMZ ein. Dann gab es noch ein kurzes Briefing und jeder musste einen Zettel von der UNO unterschreiben, wo alle Regeln nochmal draufstanden zuzüglich des Hinweises, dass man erschossen werden könnte und einer Beschreibung, wie südkoreanischen Soldaten aussehen und wie diejenigen von Norden aussehen. Auf der anschliessenden Fahrt im Militärbus dann wurden tatsächlich die Schuhe kontrolliert.
In Panmunjeom, der kleinen „Joint Security Area“ (JSA) dann Kommandoton: aussteigen und in Zweierreihen aufstellen, wie im Kindergarten, bloss ohne Händchenhalten. Rechte Reihe: Japaner – linke Reihe alle anderen, wegen der Dolmetscher. Schliesslich standen wir, das südkoreanische „Freedom House“ im Rücken - und ja nicht umdrehen und fotografieren! – vor den berühmten drei blauen Baracken mit dem nordkoreanischen Pavillon im Hintergrund. Oft gesehen im Fernsehen, Internet, Youtube und jetzt direkt davor. Ziemlich still und friedlich lag das ganze Areal vor uns und in greifbarer Nähe, ohne Zaun oder Mauer dazwischen liegt Nordkorea. Ein einzelner nordkoreanischer Soldat bewacht auf der anderen Seite den Eingang zu seinem Pavillon, sonst ist dort niemand zu sehen. Im Vordergrund ein paar Amerikaner in Uniform, die Touristen anraunzen und die die drei typischen Südkoreaner, zwei halbverdeckt an den Baracken und einer „in front of“ dazwischen. Tatsächlich gibt uns Frau Li jetzt auch die Erlaubnis zum fotografieren, aber nur Richtung Nord! Zwei Minuten lang rattern die Kameras, dann ist Schluss.

Die berühmten blauen Baracken der Waffenstillstandskommission

Im Inneren: auf der Tischmitte verläuft die Grenze zwischen Nord- und Südkorea

 In Zweierreihen Abmarsch zur mittleren Baracke, quasi dem Höhepunkt des Ganzen. Was vorher schon komisch war, verstärkt sich jetzt nochmal: die eine Hälfte der Gruppe steht schon im Norden, während wir noch im Süden sind. Frau Li gibt noch ein paar Erklärungen und sagt dann: Nun bitte, laufen Sie herum und gehen Sie nach Nordkorea, so eine Gelegenheit bekommen sie nie wieder. Aber gehen sie nicht hinter den Militärpolizisten zu der Tür, das ist verboten!


So war nun also auch ich in Nordkorea, wenn auch nur 2 Meter. Nach 2 Minuten wiederum war Schluss. Fotografieren einstellen und das Gebäude verlassen, zack zack. Der Waffenstillstand sieht vor, dass Besucher sich nur 10 Minuten in der JSA aufhalten dürfen. Zurück durch den Pavillon in den Bus und Abfahrt, das wars.

Einsamer Wächter. Was er wohl so denkt?

Ganz anders dagegen Seoul, die hypermoderne, sympathische 12-Millionen-Hauptstadt Südkoreas. Gerade fand dort ein Kulturfestival statt und viele Menschen waren in den Strassen, auch Demonstranten für alle möglichen erstrebenswerten Ziele. Ich habe mich immer wieder gefragt, wie es wohl zum gleichen Zeitpunkt in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang aussehen würde und was die Leute dort machen und denken. Aber das wird mir wohl verborgen bleiben bis vielleicht irgendwann dieses Gebilde doch noch zusammenbricht.

Sympathisches Seoul

Zur DMZ und der Grenze: Ich habe nun schon einige abgefahrene, seltsame Orte besucht, und dieser gehört mit Bestimmtheit dazu, auch wenn der Besuch nur etwa 10 Minuten gedauert hat.

06 Oktober 2016

Neues und Altes und neues Altes

Bevor ich nach China kam, habe ich mich gefragt, wer mir all die kommunistischen Parolen übersetzt, die man ja aus solchen Ländern kennt und die ich sogar noch persönlich gesehen habe zu seligen DDR-Zeit, bloss eben auf Deutsch. Mein Bruder musste mich enttäuschen: sowas wirst du in Shanghai wahrscheinlich überhaupt nicht mehr sehen, dafür ist die Stadt viel zu kapitalistisch orientiert. Was die in Peking machen, interessiert hier sowieso keinen… und so weiter.
Na gut, dann muss ich mir das eben in der Phantasie vorstellen: über vielen Einfahrten oder Eingängen Gold auf Rot: „Voran mit dem Vorsitzenden Mao zur Erreichung der Ziele des Fünfjahrplanes“ oder „Die Worte Maos als Leitpfad zum Kommunismus!“… Mein Bruder: das ist eine Einfahrt zu einem grossen Baumarkt, die verkaufen da schöne Sachen zum Selberbauen; das da ist die Werbung…

In der Tat, China und wohl insbesondere Shanghai ist nicht mehr so wirklich das Land des Grossen Vorsitzenden, stattdessen das des Turbokapitalismus. In den elitären Einkaufsstrassen reiht sich ein Uhrenladen an den anderen, schön eingerahmt von der chinesischen Variante des Sternenbanners. Und die Strassen sind so voll mit Konsumenten, dass man glaubt, es geht nur noch ums Geldausgeben. Übrigens: ein Smartphone hat hier jeder ab mindestens 12 Jahren bis hinauf ins Greisenalter. Und wenn man an einem ärmlichen Verkaufsstand vorbeikommt, dann schauen die ärmlichen Leute nicht andere Leute an, sondern zumeist ihr Telefon…



Der Zugang zum Internet ist allerdings fest in der Hand der Regierung. Bestimmte Webseiten wie zB. Google mit meiner Blogger-Seite sind praktisch gar nicht zu erreichen (weil Google sich vor einigen Jahren weigerte, bei der Zensur mitzuhelfen), und auch die VPN-Verbindungen werden regelmässig blockiert. Was gut geht ist Roaming mit meinem Swisscom-Abo, das wird wahrscheinlich direkt nach Europa durchgeleitet – harmloser Tourist. Somit kommt leider das Bloggen etwas kurz, denn es ist recht mühsam, das langsame VPN zu benutzen und über das Handy wird dann das gekaufte Datenpaket ziemlich schnell verbraucht.

Buddhistischer Tempel in Qibao - Mehr Gold als bei den Katholiken..

Andererseits waren wir in den letzten drei Tagen nicht ganz untätig. Wir haben das neue Shanghai besucht, den Shanghai Tower in Pudong, der zwischen all diesen neuen Hochhäusern steht und gerade erst eröffnet wurde. Vor dreissig Jahren gab es hier nur kleine Hütten, verwinkelte Quartiere und viel Armut. Davon sieht man heute nichts mehr. Wir wollten trotzdem einen Eindruck davon und sind am nächsten Tag in ein „historisches“ Viertel zum Frühstück gefahren: in die „Kommune“ (ich muss das Stadtviertel noch nachreichen…) Angeblich ist hier alles wie zur Revolution, allerdings kamen mir die Modeläden, Souvenierläden, Cafés und etc-Läden schwer touristisch vor. Die Krönung waren die ganz kommunistischen Kaffeebecher im Email-Look mit Beule, die aber an jedem Becher gleich geformt war, ganz davon abgesehen, dass dieser aus Keramik war… Das war ein schönes, auf Alt gemachtes Stück Shanghai, was ich umgehend bei meinem Bruder reklamiert habe.

Auf alt gemachte Kaffeebecher mit Beule - Aus Keramik

Also sind wir am gestrigen Mittwoch nach Qibao gefahren, gleich mit dem Stadtbus, ein paar Stationen vom Compound entfernt. Das ist zwar auch ein wenig touristisch, aber immerhin für chinesische Touristen. Hier gab es tatsächlich noch Läden, wo Sachen verkauft werden, die der Chinese zum Alltag benötigt, dazwischen unendliche Mengen von Garküchen und zwischen diesen zur Mittagszeit noch viel mehr unendliche Mengen von Menschen, die sich in einem irrsinnigen Gedränge von einer Bude zur nächsten schieben (oder schieben lassen). 

Stress zur Mittagszeit

DAS kommt meiner Vorstellung von China schon ziemlich nahe, aber andererseits ist Shanghai für solche Gegenden definitiv die „falsche“ Stadt. Hier trägt Mann und Frau gerne seinen Stolz zur Schau und das Geld in all die Läden, die wir von Europa her kennen und deren Namen ich jetzt hier nicht aufzähle, weil es einfach nur nervt.

Am nervigsten jedoch sind die auf Alt gemachten neuen Strassenzüge. Die Regierung drängt offenbar die historischen Viertel zurück und schafft besucherkonforme Einkaufsmeilen, die so gar nichts urwüchsiges mehr haben. Klar kann ich es auch aus Sicht der Bewohner verstehen: in den Seitenstrassen sieht es oft schlimm aus für uns Europäer und wir wollen da sicher auch nicht wohnen. Wenn man andererseits bedenkt, dass der Chinese, der hier vorher sein Haus hatte, die neuen Mieten/Kaufpreise niemals zahlen kann, dann frage ich mich schon, wer dann da wohnt und wohin die Alteingesessenen ausgewichen sind. Schöner Kommunismus…







03 Oktober 2016

Die Abrechnung mit Dubai und der Sprung in eine ganz andere Welt

Mit Dubai sind wir fertig - im positiv-zeitlichen Wortsinne: Am Samstag Morgen haben mein Vater und ich die Vereinigten Arabischen Emirate verlassen. Nach zwei höchst beeindruckenden Tagen in der Wüstenhauptstadt des gleichnamigen Emirates haben wir uns in unsere Business-Class-Sitze fallen lassen und auf den achteinhalbstündigen Flug nach Shanghai begeben.

Die zwei Tage im Morgenland waren insofern interessant, dass uns vor Staunen und vor Erschöpfung der Mund offen stand: bei 36 Grad Hitze haben wir zwei Touren gemacht und die ganze Pracht und den glitzernden Reichtum der Emirate bestaunt, waren am Creek in Bar Dubai, der alten Hafenstadt, sind mit einem Boot den Creek rauf und wieder runtergefahren und haben wieder und wieder gestaunt über die scheinbar unendlich langen Strassen in der Horizontalen und die fast unendlich hohen (und vielen) Wolkenkratzer in der Vertikalen, die erbaut wurden von Menschen aus ärmeren Ländern - also eigentlich allen anderen...
Leider sind zwei Tage kaum ausreichend, um noch lohnenswerte Ziele zu erreichen, das wird dann also warten müssen. Im Jahre 2020 findet in Dubai die EXPO statt, bis dahin sollten auch wieder ein paar mehr Hochhäuser fertiggestellt sein.
Unsere zwei Touren sowie die vielen kleinen Nebenbei-Beobachtungen werden mir aber lange in guter Erinnerung bleiben. Andererseits aber auch die grosse Widersprüchlichkeit Dubais: auf der einen Seite die scheinbare Weltoffenheit, europäisch-amerikanischer Luxus inkl. (im islamischen Sinne) freizügiger Werbespots, die ganze klassische Musik, die auch hier gespielt wird - andererseits ein sehr traditionelles Land mit traditioniellem Recht, Kleidung, Verhaltens-Kodex usw.
Ich hätte mir gerne auch noch mehr Zeit genommen für Geschichte, Kultur und Religion, aber vor allem braucht es dafür eine andere Jahreszeit. Ende September ist es hier einfach noch viel zu warm (ausser in den Malls, die auf gefühlte 10 Grad Celsius herabgekühlt werden...).

Am Samstag also dann auf nach Shanghai. Gleich im Flugzeug, noch auf dem Vorfeld von Dubai International, gibt es wieder Alkohol: Begrüssung an Bord mit Champagner... Eine Frage, die mich schon vorher beschäftigte: wird unser Fluglinien-Service in Shanghai den Fahrer bereitstellen, und was, wenn nicht?
In Shanghai Pudong, dem Flughafen, sah es dann auch alles ein bisschen anders aus, als am Persischen Golf. Alles etwas schäbiger, wenngleich genauso gross oder grösser. Lange Laufwege, viele Türen, Warteschlangen usw. Und dann die unvermeidliche Einreisekontrolle. Aber auch hier: korrekte Abfertigung, keine Fragen, ein roter Stempel im Pass. Ich habe mir sagen lassen, dass in China nur etwas gültig ist, wenn zwei rote Stempel drauf sind. Den anderen erhalten wir dann wohl bei der Ausreise... Tatsächlich stand am Ausgang dann unser Fahrer mit unseren Namen auf seinem Schild. Er konnte kein Wort Englisch, aber er hat uns auf kürzestem Wege (40 Minuten lang) nach Minhang, einem der Stadtteile Shanghais gebracht und sogar die Einfahrt zu dem Compound gefunden, wo mein Bruder mit seiner Familie lebt. Eine gated community mit Pförtner, der nur reinlässt, wer hierhergehört (und aufpasst, dass die Kinder nicht rauslaufen auf die sechsspurige Strasse vor dem Gelände...).

Bilder und mehr gibt es später noch. Wir sind gleich am ersten Tag voll durchgestartet und jetzt alle ein bisschen müde. Inzwischen waren wir nämlich im Stadtzentrum, auf dem Shanghai Tower, mit der U-Bahn unterwegs, einkaufen und bei einer Geburtstagsparty. Und gleich morgen früh geht's weiter...