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19 April 2024

Good Morning Shanghai

 
Nach fünf Jahren ohne richtige Ferien - abgesehen von den weihnachtlichen Ausflügen in die USA - gibt es in diesem Jahr tatsächlich wieder eine Fernreise zum Zwecke der Erholung, für Entdeckungen, aber auch für eine Familienfeier. Nach 2016 und 2017 besuche ich im Mai meinen Bruder und dessen Familie in Shanghai. Sie sind dort nun für ihre zweite Expat-Runde und feiern die Konfirmation ihres ältesten Sohnes. Herrje, wie die Zeit vergeht: 2010 bin ich in San Francisco gewesen, da war das Kind gerade einen Monat alt, und nun Konfirmation... 

Wenn Zeit und Internet es zulassen, gibt es hier vielleicht ein paar Berichte. Unser Aufenthalt in Shanghai ist aber eher kurz. Zwölf Tage, dann gehts wieder heim.

11 Oktober 2017

3 Tage Shanghai in aller Kürze

Nach dem Abschluss der schönen Reise nach Nordchina, Provinz Shanxi, bin ich nun mit dem Blogschreiben etwas in Rückstand geraten. Seit Montag stand die Erkundung der Megacity auf dem Programm und wie das bei so grossen Städten ist, muss man sich auf einzelne Punkte konzentrieren bzw. beschränken. Andererseits bieten die chinesischen Städte, egal ob modern oder nicht, auch immer eine Flut von Motiven, interessanten Ecken, Kontrasten. So kann man auch mal irgendwo aus einer U-Bahn früher aussteigen und sich durch ein Viertel treiben lassen. Auf meinem Programm stand als erstes am Montag die - nach 2016 - erneute Besichtigung von The Bund, der langen Uferpromenade gegenüber dem Wolkenkratzerviertel von Pudong – New Manhattan. Wann immer Shanghai in den Medien auftaucht, diese Skyline wird als Foto verwendet und sie ist ja auch beeindruckend. Vor allem, wenn man bedenkt, dass vor 30 Jahren hier nur ärmliche Hütten und qualmende Fabrikschlote standen.

Dummerweise ist genau in dem Moment meine Kamera kaputtgegangen. Für die Experten unter den Lesern: Canon EOS 7D: Error 40. Nichts geht mehr. Sehr schade, so mitten in den Ferien. Somit sind alle folgenden Fotos vom Handy (was auch nicht ganz schlecht funktioniert) und von den Reparaturbemühungen wird noch die Rede sein.

Der folgende Dienstag sollte der Beschaffung von Kitsch gewidmet sein und eben dieser Kamera-Reparatur. In Shanghai gibt es einen grossen Canon-Laden. Also da mal hin. Natürlich hat der Laden genau an diesem Tag wegen Umbau geschlossen. «Gerne begrüssen wir Sie morgen wieder…» oder so ähnlich stand es an der Tür und drinnen waren die Mitarbeiter damit beschäftigt, rumzustehen und anderen zuzusehen, wie sie Regale und Lampen neu aufstellten. Das war also der erste Reparatur-Versuch. Danach ging es fussläufig zurück zum Peoples Square (…) und dem dort befindlichen «Urban Planning Exhibition Center», einer Ausstellung über die Stadtentwicklungsgeschichte Shanghais, der ein ganzes 6-stöckiges Gebäude für ein riesiges Modell der Innenstadt gespendet wurde, zusätzlich angereichert mit Einzelmodellen und vielen Vorher-Nachher-Fotografien. Das war wirklich interessant und so ganz ohne die in China erwartbare Propaganda, wie weise die Partei… und so weiter und so fort.

Beim anschliessenden Besuch im Tibetischen Kloster wollte ich dann endlich für Ben und mich eine kitschige Plastik-Gebetsmühle mit Solarantrieb erwerben, aber denkste. In Datong haben wir das irgendwie verpasst und in Shanghai machen sich diese Sachen wirklich rar. Winkekatzen gibt es fast überall, aber Gebetsmühlen - Fehlanzeige. Jedenfalls nicht an dem nach-neu-gebauten Kloster des Jade-Buddhas mit seinen Mönchen, von denen ich gerne mal die Arbeitsverträge sehen würde… Und dann, heute Mittwoch, bin ich endlich in den Canon-Laden gekommen, nur um mir sagen zu lassen: Wir machen die Reparaturen nicht selbst, aber du kannst in das Canon Quick Response and Repair Center gehen, dort wird dir geholfen, 15 Minuten Fussweg von hier. Super gut gelaufen. Das hätten sie auch an der Tür anschreiben können.
Gestern wäre es noch gut gewesen, heute nämlich hat es praktisch den ganzen Tag geregnet, mal mehr, mal weniger stark. Und bei diesem Repair Center konnten sie mir leider auch nur anbieten, in den nächsten 2 Tagen den Fehler zu finden, dann könne man eine Reparatur abschätzen…. Ehrlich gesagt, habe ich das schon geahnt (und übrigens auch für unser schönes Mitteleuropa nicht anders erwartet). Mit vielen «xièxie» - Danke - sowie meiner kaputten Kamera bin ich also wieder raus in den Regen.

Gelbe Fahrräder werden verladen... Mietfahrräder, die die Leute irgendwo abstellen,
meistens an U-Bahn-Haltestellen

Und dann habe ich noch ein echtes Highlight besucht: Den Gründungsort der Kommunistischen Partei Chinas - quasi auch ein Tempel, ein kommunistischer: mit kommunistischen Buddhas in Form vom bronzenen Mao-Köpfen, Zhou-Enlai-Köpfen, dem heiligen Zimmer, wo die Sitzungen stattfanden, die heilige Küche und den nicht ganz so heiligen Andenkenladen. Im Foyer traf gerade auch eine Schulklasse ein, die gleich erstmal einen Fahnenappell durchgeführt hat. Kennen wir ja noch aus DDR-Zeiten. Positiv ist mir aufgefallen, dass die verbannten und ausgeschlossenen Mitglieder der Ur-KP auch benannt wurden. Nicht wie zu früheren Zeiten, wo man sie einfach aus den Fotos und dem Gedächtnis getilgt hat.

Der schöne Abschluss des Tages fand dann im Cafeteria-Andenkenladen statt: hier gab es die diversen Partei-Devotionalien, CDs von Bob Dylan, die legendären Emaille-Becher, die ich voriges Jahr so vermisst habe. Cappucino und Kaffee war aus (entspricht noch ganz den früheren Parteiprogrammen) und der Verkäufer Nr. 2 im Shop hat sich ganz sozialistisch verhalten: er schlief an der Kasse…


Fahnenappell...

Die Kommunisten-Buddhas.

Und hier sitzen sie und gründen Die Partei. 23. Juli 1921.

Im sozialistischen Himmelsparadies.

"Hamwer nich..." - oder so.


07 Oktober 2017

Weiche Knie und kühne Pläne

Am gestrigen 6. Oktober ist am Abend kein Blogeintrag mehr entstanden. Das lag an der allgemeinen Müdigkeit, die unsere kleine Gruppe nach einem langen Tag erfasst hatte. Zwar reichte es noch für ein Abendessen und nachdem die Kinder im Bett waren für einen Ausklang mit Tsingtao und Sprite, aber danach war Bettzeit für uns alle. Somit teile ich diesen Beitrag in zwei Teile, damit so wenig wie möglich verloren geht.

Nachdem wir uns in den Wutai-Bergen ausgiebig mit dem tibetischen Buddhismus beschäftigt hatten, mussten wir am Freitag Morgen Abschied nehmen von den Bergen. Eine Passüberfahrt gab es noch, anschliessend ging es bergab ins Flachland, vorbei an verlassenen Dörfern und Dörfern, die aussahen, als würden sie bald verlassen sein. Weiterhin vorbei an unzähligen Lkw-Werkstätten: lange Halle entlang der Strasse vor denen staubige 40-Tonner mit offenem Motor oder platten Reifen darauf warten, wieder fahrtüchtig gemacht zu werden. Dazwischen das sozialistische Arbeitskollektiv, wie es nur Ostdeutsche noch kennen: ein paar sitzen rum, zwei arbeiten und die Frau aus dem Büro bringt Tee...

Nach einer mehrstündigen Fahrt kamen wir dann zu unserem Tagesziel: ein Ort, der zwar nicht in der UNESCO Welterbeliste steht, dafür aber in verschiedenen Listen der Art "most dangerous looking Sights": Das Hängende Kloster - Xuangkong Si. 75 Meter über Grund hängt das Kloster mit 40 Hallen, Buddhas, Mönchszellen und abenteuerlichen Gängen und Brücken über dem Talboden. Von unten aus der Warteschlange sieht das ganz hübsch aus und wir hatten etwa 3 Stunden Zeit, das Kloster aus dieser Perspektive zu besichtigen, ehe wir endlich in der Schlange so weit vorgerückt waren, dass wir auch rein konnten. Bei ca. 65'000 Besuchern pro Tag geht es gar nicht anders, als das der Zugang tröpfchenweise reguliert wird, sonst würde wahrscheinlich die ganze Konstruktion runterkrachen. Für mich war der Rundgang dann allerdings alles andere als ein Genuss, eher ein Abenteuer. Die Mönche aus der Erbauungszeit des Kloster im 6. Jahrhundert mussten sehr kleine Menschen gewesen sein, denn die Geländer zum Abgrund hin waren kaum einen Meter hoch. Für heutige Mitteleuropäer (1.70-1.90 im Durchschnitt) ganz blöd, viel zu niedrig. Bei mir machte sich das mit einer gewissen Höhenangst bemerkbar. Aber ich war nicht der Einzige mit dem Problem, was daran erkennbar war, wie die Leute sich ganz dicht an die Wandseite drängten. Manche krochen auf allen Vieren oder hielten sich ihren Sonnenhut vors Gesicht (das macht die Sache ganz bestimmt viel sicherer...). Meinem Neffen (7 Jahre), für den ich die Verantwortung übernehmen sollte, machte das alles nix aus. Wahrscheinlich war die Frage, wer hier wem Sicherheit gibt, andersrum, als ursprünglich geplant.

Wegen Überfüllung noch nicht geschlossen...
Man beachte die Höhe des Geländers (Mann mit weissem Hemd)


Warum das Kloster "hängendes Kloster" heisst, ist nun klar: es wurde in die Felswand hineingebaut. Zwar nicht ganz hängend sondern auf die Felsabsätze und auf eingetriebene Holzbalken. Einige Teile hängen dann aber doch: an Bambusstämmen, die sich deutlich sichtbar biegen, wenn oberhalb/unterhalb die Besucher durchlaufen. Aber warum wurde es gerade hier gebaut? Das hat mit dem nahen Fluss zu tun. Zu früheren Zeiten gab es häufige Überflutungen durch den nahen Fluss und der sollte wohl mit dem Gebet der Mönche besänftigt werden. Um ganz sicher zu gehen, widmete sich das Kloster gleich allen drei örtlichen Religionen: Buddhismus, Konfuzianismus und Daoismus. Alle drei Religionsstifter sind in einer der Hallen nebeneinander aufgestellt. In den 60er Jahren wurde das Problem dann auf chinesische Weise gelöst. Das Tal wurde mit einer Staumauer abgesperrt und die Überflutungen waren Geschichte. Ob der Auszug der letzten Mönche in den 70er Jahren eine Folge davon war, ist nicht überliefert.

Mit weichen Knien bin ich dann mit den anderen sicher und/aber hocherfreut über dieses Erlebnis wieder auf festem Boden angekommen.

Über Sieben Bretter musst du geh'n - in 70 Metern Höhe und fast keinem Geländer.

Keine Probleme - mein Neffe, 7 Jahre alt.

Auch Chinesen werden mal ungeduldig: am unteren Ende dieser Todesfalle
gab es eine Prügelei, bis die Polizei anrückte.

Datong - die Beton gewordene Geschichtsschreibung Chinas

Datong-Beton - das reimt sich fast. Die Stadt mit ihren 1.4 Millionen Einwohnern im Norden Chinas stand lange als Symbol für Kohle = Dreck = Smog. Dabei war sie einst ein Zentrum des alten Chinas und Hauptstadt einer Dynastie, die verschiedene Volksgruppen zu vereinigen vermochte. Im Namen ist dieses festgeschrieben: da tong - die Grosse Einheit. Lange Zeit, vor allem in der Volksrepublik, war sie gezeichnet vom Kohlebergbau und der kommunistischen Revolution. Dreck auf der Landschaft und Dreck in der Luft, der sich langsam auf die Landschaft niedersenkt. Dazu die Zerstörung der Geschichte während der Kulturrevolution und der gewachsenen Bevölkerungsstruktur während der Jahre des langsamen Aufstiegs (60er - 80er Jahre). In der letztgenannten Zeit wurden Teile der Altstadt Datongs plattgemacht für sozialistische Plattenbau-Architektur. Zudem wurde die Stadtmauer abgetragen und die Steine als Baumaterial in den Hutongs verwendet, bis von der alten Befestigung nichts mehr übrig war.
Die Rückbesinnung begann in den 2000er Jahren unter anderem mit der Wiederentdeckung der alten Kultur und der Entdeckung, dass sich damit von der aufstrebenden Mittelschicht der Chinesen unglaubliche Mengen an Geld machen lassen. Kurzum: Am Ende des ersten 2000er-Jahrzehnts kam ein neuer Bürgermeister nach Datong und da ein Flughafen schon vorhanden war, musste ein anderes Projekt her: das Altstadt-Projekt. 6 Milliarden Dollar liessen sich offenbar leicht dafür lockermachen und so begann man als erstes 2009 mit der Wiedererrichtung des Stadtmauerrings um den historischen Stadtkern. Als zweites wurde dann begonnen, ausserhalb des Rings Hochhaussiedlungen zu errichten und die ärmlichen Bewohner der traditionellen Hutongs und der Plattenbauten dorthin "abzusiedeln". Dieser und der dritte Schritt überlagern sich zur Zeit: die alte Bebauung wird vollständig entfernt und durch neue Häuser im Stil der Ming-Dynastie (14.-16. Jahrhundert) komplett neu bebaut und als Luxuswohnungen verkauft. Dazwischen ein paar Flanierstrassen mit Andenkenläden und Modeboutiquen für zahlungskräftige Kunden aus Peking und anderswoher. Daneben entstehen - innen aus Beton, aussen mit brauner "Holzfolie" beklebte Tempel, Häuser usw. von denen bei äusserer Betrachtung nicht mehr ganz klar ist, ob das Original oder Nachbau ist. Sowieso: die ganze Stadtmauer - es muss ein Milliardenprojekt gewesen sein - wurde in 3 Jahren völlig neu errichtet.
Allerdings scheinen zur Zeit die Arbeiten erstmal ins Stocken geraten zu sein. Es gibt viele Freiflächen, auf denen sich scheinbar nichts tut, es gibt furchtbar elend aussehende fast (!) verlassene Innenstadtviertel und leerstehende Plattenbauten mit schwarzen Fensterhöhlen. Und es gibt eine Stadt Datong, die einen Schuldenberg von 3 Milliarden Dollar vor sich herschiebt. Beim Schlendern über die Fake-Stadtmauer haben Ben und ich darüber spekuliert, ob das ganze jemals fertig werden wird oder auf halber Strecke steckenbleibt, also etwa in dem Status, den die Bilder zeigen. Und im Unterschied zu uns und unserem Flughafen BER, der vielleicht genauso teuer war wie die Stadtmauer, haben die Datonger eine fertige - funktionierende? - Stadtmauer...

Tempelwächter - es sind immer die gleichen Symbole.

Vorne: Hutongs vor dem Abriss.
Mitte: Plattenbauten vor dem Abriss
Hinten: Neubauten für die Bewohner von Vorne und Mitte...

Bevor wir uns am Nachmittag die "Alt"-Stadt angesehen haben, waren wir noch bei den Yungang-Grotten. Die sind Weltkulturerbe und bestehen aus in den lockeren Sandstein getriebene Höhlen für Buddha-Tempel. Grosse Buddhas, kleine Buddhas, winzige Buddhas - und alle aus dem Stein gehauen oder besser gesagt: herausgeschält: Zuerst wurden oben ein Loch geschaffen, dass wurde die Höhle herausgeschlagen und nur der Buddha blieb stehen. Die hundertausenden kleinsten Skulpturen an den Wänden, Säulen, Nischen, Stufen usw. - alle wurden sie aus dem Gestein herausgearbeitet. Und als das mal erledigt war, begannen umgehend Wind und Wetter mit dem Abtragen dessen, was die Steinmetze übriggelassen hatten: die Statuen. Nach 1'400 Jahren sehen einige nicht mehr gut aus und der natürliche Zahn der Zeit nagt an dem ganzen Rest. Daher war es vielleicht ein Ausflug zur rechten Zeit, denn so viele Buddhas bekommt mal selten an einem Platz zu sehen. Überhaupt: der ganze Ausflug nach Shanxi war eine einzige Buddha-Flut und in den 6 Tagen hier haben wir bestimmt 250'000 davon gesehen.

Deshalb und weil die Golden Week vorüber ist, werden wir morgen Mittag nach Shanghai zurückreisen und ich werde sehen, was ich mir dort noch an Aktivitäten vornehme.

Milde lächelt der Buddha auf uns fremde Besucher herab.

Und der auch.

Und noch einer. Ein wenig erinnert es an die Felsenstadt Petra.

Platte - kennt jeder Ostdeutsche noch

Und das ist ein Ausschnitt aus der neuen Stadtmauer. Wirklich: alles ist neu!


05 Oktober 2017

Tibetischer und sonstiger Buddhismus in den Bergen Nordchinas

Der gestrige 3. Oktober war praktisch ereignislos, abgesehen von der 5-stündigen Autofahrt von Pingyao nach Norden (nicht nach Süden, wie ich gestern vorher fälschlich geschrieben hatte). Vor der Abreise wagten wir uns noch einmal in das Touristengetümmel und prompt ging uns - oder besser den Eltern Ben und Friederike - ein Kind abhanden. Es ist ja auch für eine fünfjährige nicht so einfach zwischen all den dennoch grossen Chinesen... Ein Vorteil hat es aber, wenn man so ausserirdisch rotblond aussieht: wenn dann die Mutter suchend die Strasse langgeht, wissen alle Chinesen, wonach gesucht wird und zeigen in die richtige Richtung, so dass die Kleine nach ca. 5 Minuten wieder gefunden war... Einziges Abenteuer an diesem Tag.

Heute sind wir dann am Wutai Shan gewesen, ein Gebirge im Norden Chinas, früher genannt auh "Frischer Berg", was ich gestern abend noch schmerzlich gespürt habe. Bei wolkenlosem Himmel lag die Temperatur knapp über Null oder drunter und meine geniale Idee "ich kaufe mir unterwegs noch eine neue Hose. Wird ja Gelegenheiten geben" zerschlug sich schon in Pingyao, als meine Schwägerin meinte: hier findest du gar nichts in deiner Grösse. Und so war es dann auch und ich quäle mich seitdem mit einer leichten Trekkinghose herum, über die bei Anreise der Chefsteward im Flugzeug noch seinen O-Saft drüberkippte... Abenteuerurlaub eben.


In diesen frischen Bergen waren wir also heute bei freundlicherem und vor allem wärmeren Wetter als gestern. Ziel waren die buddhistischen Klosteranlagen, die zu den wichtigsten im ganzen Buddhismus gehören. Seit 2009 sind sie Weltkulturerbe und seit 2000 Jahren Pilgerort und seit noch längerem Sitz des Bodhisattva der Weisheit Manjushri. Entsprechend sind hier eine Reihe von Klöstern entstanden, die zu den ältesten Bauwerken Chinas gehören und entsprechend heute nicht nur die Gläubigen anziehen, sondern auch Heerscharen von vor allem chinesischen Touristen.
Die ganze Pracht tibetisch-buddhistischer Tempel haben wir uns also angesehen: Gebetsmühlen, Pagoden, und noch mehr Buddha-Statuen in Gold. Und das alles in einem eigentümlich-charmanten morbiden Zustand. Nichts ist so richtig kaputt, aber auch nichts so richtig heil. Das liegt sicher an den Unmengen Touristen, die durch die Anlagen streifen, aber auch daran, dass diese Klöster offenbar weiterhin in echter Benutzung sind. Das heisst: in jedem Tempel sitzt ein Mönch zum Aufpassen und Glockenschlagen. In einer Kapelle sass eine Mantra singende Gruppe mit Instrumenten (Trommeln, Becken, Tröten (sorry) usw.) und in vor praktische jedem Buddha verrichteten Gläubige ihre Gebete und legten Opfergaben nieder, die teilweise bereits auf den Altären keinen Platz mehr hatten. Nur mit Fotografieren hatten es die Mönche nicht so. Überall wurde Respekt vor der heiligen Stätte abverlangt und ein Foto war höchstens mal heimlich "aus der Hüfte" möglich. (Bei der "Musikgruppe" habe ich mir dann auch einen bösen Blick eingefangen...). Alle anderen Fotos unten sind aber sozusagen auf legale Weise entstanden.
Eines ist aber auch anzumerken: wenn man sich ein wenig mit der Religionsausübung in der Volksrepublik China befasst, darf ein kleiner Restzweifel angebracht sein bezüglich der hier zu beobachtenden Zeremonien.



Da oben waren wir auch.

Am Nachmittag waren wir dann mit den beeindruckenden Tempeln durch und überredeten unseren Mister Lü noch zu einem Ausflug auf einen gegenüberliegenden Berg mit Tempel, zu erreichen mit Sesseli-Bahn. Ganz old school: auf der Platte aufstellen und sich in den Sessel fallen lassen, Bügel runter und den Berg hochfahren. Ganz geheuer war mir die Sache nicht, aber unabhängig davon habe ich dann für den Rückweg die Pilgertreppe genommen, gemeinsam mit Herrn Lü. Die Kinder und mein Bruder und Schwägerin haben die Touristenpferde genommen...

Goldener Tempel aus Kupfer.
Tatsächlich besteht das ganze Gebäude daraus und ist aussen vergoldet

Gebetsmühlen

Die Treppe ins Tal mit über 1000 Stufen. Man kann auch das Pferd nehmen...

Werbung für unser "**** Flower Hotel" So schön sieht es aber nur auf Fotos aus.
In echt ist es etwas in die Jahre gekommen...

03 Oktober 2017

Fahrt in die Provinz... (...Shanxi)

Taiyuan wurde auch am heutigen Morgen bei unserer Abfahrt weder bunter noch heller. Wir hatte auch nicht vor, länger zu bleiben, nach dem Anreisetag sowie dem Besuch des Jinci Tempels. Neben dem Grau, von dem wir nicht ganz herausbekommen haben, ob es Nebel oder Smog gewesen ist, hielt auch der Regen von gestern noch an und begleitete uns auf der 90 Minuten langen Fahrt nach Pingyao. Genauer gesagt, legte der Regen zwischendurch eine Pause ein um uns dann mit neuer Kraft bei unserer Ankunft zu begrüssen.
Der erste Rundgang durch die jahrhunderte alte Ancient Town von Pingyao fand somit auch im Regen bzw. unter Regenjacken und Schirmen statt. Inmitten von tausenden chinesischen Touristen bahnten wir uns einen Weg durch die Gassen und zwischen den Mittagessen-Ständen hindurch. Für die Chinesen und mittlerweile auch für mich nichts ungewöhnliches mehr, dass man sich einerseits ständig irgendwo anrempelt und andererseits auch mal konsequent einen weg freimachen muss. Sonst kommt man hier nicht weiter.

Im Zentrum von Pingyao

Nach einem ersten Rundgang und einer kleinen Kaffeepause im Hostel holte uns unser Guide Mister Lü ab und wir begannen die geführte Tour durch die Stadt, beginnend bei dem Museum der ersten chinesischen Bank. Wieder durchgeschoben mit und von tausenden anderer Menschen sahen wir Schalterräume, Geldzählräume, Büros des Mittelmanagements und die Verhandlungszimmer, in denen der Chef persönlich wichtige Kunden empfing. Und das alles vor ein paar Jahrhunderten. Richtig andächtiges Museumsfeeling kam ob der vielen Menschen nicht auf. Aber wir staunten. Zum Beispiel über den Tresor im Keller und die Klos in den Büros: Deckel auf usw... Im Büro!

Der Zahlungsbeamte...

Nach der Bank kam die Stadtmauer dran, quasi eine Kleinausgabe der Grossen Mauer. Von den 6 km der rundum erhaltenen Befestigung schafften wir etwa ein Viertel, und zwar ohne Gedränge, denn hier hoch steigen die wenigsten Touristen und die Einheimischen sitzen entweder in der inneren Stadt an ihren Verkaufsständen oder pflücken in den Hinterhöfen Datteln Feigen von den Bäumen. Letzteres kann man von oben, also von der Mauer wunderbar sehen und überhaupt ist das die einzige Möglichkeit, die Hinterhofwelt von Pingyao (oder jeglicher anderer chinesischer Kleinstadt) zu sehen. Denn unten, in den Strassen sind die Türen versperrt oder man traut sich nicht, die Grundstücke zu betreten.

Inzwischen hatte sich auch der Regen verzogen und es wurde, vom grauen Himmel mal abgesehen, ein schöner Wandertag durch eine historische chinesische Stadt. Diese hat etwa 40'000 Einwohner und am Vortag, liess uns Herr Lü wissen, besuchten etwa 60'000 Touristen die Stadt. Wenn man auch für heute von dieser Zahl ausgeht, betrug die Ausländerquote 0.01 Prozent, nämlich wir sechs Besucher. Pingyao ist hauptsächlich eine innerchinesische Attraktion. Was aber nicht daran hindert, hier genau die gleichen Kitschläden zu installieren, wie überall auf der Welt. Der Unterschied ist nur: hier wird verkauft, was im Land selbst hergestellt wird. In unseren mitteleuropäischen "Andenkenläden" wird Importware aus China verkauft...

Verkauf über die Gasse: über die Schnur werden Geld und Waren ausgetauscht...


Unser Hostel ist übrigens sehr hübsch im traditionellen Stil gehalten: um einen Innenhof gruppieren sich die Zimmer, eingerichtet mit Teebank und grossem chinesischen Bett für die ganze Familie. Damit man nicht zu lange schläft, sind die Matrazen "steinhart".
Morgen geht es gegen Mittag weiter. Vorher haben wir noch einmal Zeit, die Altstadt zu durchstöbern und das gewisse Etwas einer Touristenattraktion in China zu geniessen.

Hauptstrasse von Pingyao

Traditionelles Hostel

Unser ABV. Infotafel im Stadtviertel

Ein Gebäude der chinesischen "Staatskirche"

02 Oktober 2017

Zürich - Dubai - Shanghai - Taiyuan

Nach drei Tagen Anreise bin ich - sind wir - nun in Taiyuan im Nordosten Chinas angekommen. Hier beginnt unsere 7-Tages-Rundfahrt durch die Provinz Shanxi, deren Hauptstadt Taiyuan ist. Für chinesische Verhältnis mit etwas über 4 Millionen Einwohnern recht übersichtlich. Wir, das sind: mein Bruder Benjamin, seine Familie und ich. Ausserdem haben wir einen Fahrer und einen Guide, die uns heute gleich nach Ankunft zum Junci-Tempel gefahren haben, wo wir den ersten Besichtungspunkt auf der langen Liste abhaken konnten. Leider hat es recht geregnet und wir waren müde von der Anreise. Wenn man in China einen Ausflug macht, muss man erstmal 2'000+ km überwinden... Naja, es würde auch kürzer gehen, aber Ben wollte mit der Family kurz vor der Rückkehr nach Deutschland noch eine grössere Rundreise unternehmen. Somit starten wir also richtig morgen früh und dann gibt es auch mehr Text und Fotos. Für heute soll es ausreichen. Viele Grüsse aus Shanxi!


Mit dieser etwas ältlichen 737 ging es von Shanghai Pudong nach Taiyuan

Der Wächter bewacht seinen Tempel...
Ihm zur Seite stehen drei weitere, ähnlich grimmig dreinschauende Herren



12 August 2017

Good Morning Vietnam!

Leider leider ist auch bei der letzten Reise wieder mal ein richtiger Blog-Abschluss nicht zustande gekommen. Nun liegt dieser Trip fast schon wieder ein Jahr zurück und die Blogeinträge enden abrupt mit der Geschichte über Peking. Der Titel dieser neuen kleinen Geschichte deutet bereits das nächste an: ich werde im Herbst nochmal China besuchen und anschliessend eine Woche lang die heimliche Hauptstadt Vietnams kennenlernen: Saigon.

Und was gibt es noch von "China 2016" zu ergänzen? Vieles. Aber das ist nun leider auch sehr lange her. Vielleicht noch diese zwei Ergänzungen: nach der Rückkehr aus Peking haben wir - mein Vater und ich - noch das Shanghai Propaganda Poster Art Museum besucht. Eine Reise in der Zeit, zurück in die Vergangenheit. Und nur gemacht für Ausländer! In dem Museum, untergebracht in einem Keller eines Appartmentgebäudes trafen sich Deutsche, Amerikaner, Holländer, Kanadier. Aber keine Chinesen. Der einzige war der Museumsdirektor, der Eintrittskarten und Sammlerstücke aus dem Museumsshop verkaufte...
Und das zweite: unser Abschlussbesuch in der "Bar Rouge". Direkt über der Uferpromenade "Bund" gelegen bietet sie am Abend einen fantastischen Ausblick auf den Fluss und die gegenüberliegende Wolkenkratzer-Skyline von Shanghai. Wir haben unsere Mojito stehend genossen, weil uns für die Tischreservierung die nötigen 2'000 Dollar Vorabbezahlung für Konsumation fehlten.
Ausserdem waren sowieso alle Tische belegt...

Ende September geht's dann also - wieder via Dubai - nach Shanghai und Saigon!

17 Oktober 2016

Air Pollution Index: 350

Falls ich es noch nicht erwähnt hatte: Peking ist eine der Smog-Hauptstädte dieser Welt. Unser Guide Herr Wang hatte eine gute Erklärung: Weil in der Wüste im Westen so viele Bäume gepflanzt wurden, kommt der Wind nicht mehr so richtig nach Peking und der Smog wird nicht abgetrieben. Gesunde Zweifel sind angebracht. Allerdings hatte er sicher mit einem Recht: da auch die Mächtigen der Partei atmen müssen, wird etwas geschehen. Frage ist: was und wann?
Während unseres Besuches jedenfalls passierte nichts und der Air Pollution Index schwankte zwischen 250 und 350, wobei bei einem Wert von 100 eine kritische Schwelle für empfindliche Personen liegt, bei 150 eine Gesundheitsgefährdung eintritt, ab 200 eine Vergiftung und ab 300 jegliche Aktivitäten draussen vermieden werden sollten. Tröstlich: in den Tagen in Peking, wo sich ca. 20 Millionen Menschen nicht gegen die Luftverschmutzung wehren können, gab es in Indien einen Ort mit einem Indexwert von über 700… Und da in Indien, wie wir von Herrn Wang erfahren durften, sowieso alles viel schlechter ist, ist somit in Peking alles im grünen Bereich….

Olympiapark im Smog

Sport wird hier schon seit 2008 nicht mehr getrieben. Und der Himmel
über Peking ist nur im Werbefilm so blau...

Überhaupt: Herr Wang: durch ihn sind wir in den letzten beiden Tagen unseres Peking-Besuches nochmal zu so etwas wie Staatsbürgerkunde-Unterricht gekommen, nur eben aus chinesischer Sicht. Er hat uns ja einiges durchaus Kritisches über das heutige China und seine Probleme erzählt. Dadurch konnten wir ein wenig besser verstehen, warum hier die Dinge so laufen, wie sie nun mal laufen und was auch aus Sicht der Chinesen einfach nicht gut ist. Jedoch zwei Themen sind unantastbar: Taiwan und Tibet. Taiwan ist eine chinesische Provinz, untrennbarer Teil von China und derzeit abtrünnig. Aber durch die Politik der Volksrepublik werden die Taiwaner irgendwann erkennen, dass eine Rückwendung zum Mutterland viel besser ist, als eine Hinwendung zu Amerika (wie derzeit). Die Taiwaner würden schon noch erkennen, dass die USA der grosse Feind sind und alle anderen nicht hochkommen lassen wollen. Deswegen muss China wachsen und alle anderen überflügeln, koste es, was es wolle. China ist die Nummer 1! Dann werden die Taiwaner dank ihrer demokratischen Möglichkeiten sich für die Volksrepublik entscheiden.

Und Tibet wurde vor 50 Jahren von der Sklavenherrschaft des Dalai Lama befreit. Und seiner Beamten, die das Volk unterdrückt haben. Seit der Befreiung geht es aufwärts und überhaupt gehört Tibet ja schon seit Jahrhunderten zu China. Man mag das mit Herrn Wang nicht länger zu diskutieren. Einerseits wissen wir zu wenig, andererseits hat es einfach keinen Zweck, denn auch Herr Wang (übrigens der häufigste Name in China uns somit einigermassen repräsentativ) weiss wahrscheinlich zu wenig und kennt nur seine – die offizielle chinesische – Wahrheit. Als Aussenstehender mag man sich fragen, wozu dann die ganze Militärpräsenz in Tibet, wenn doch die Leute dort mit Freuden Teil der Volksrepublik sind. Oder wozu die gesonderte Einreise-Genehmigung für jedermann oder warum werden in Tibet unzählige Han-Chinesen angesiedelt und die Tibeter zu einer Minderheit im eigenen Land gemacht? Auch dazu hätte Herr Wang eine Erklärung: entweder es stimmt nicht oder man muss sich schützen vor Amerika.

Und überhaupt: China ist ja nur von Feinden umgeben, die alle die Volksrepublik angreifen wollen oder würden. Im Uhrzeigersinn: Russland, Japan, Südkorea, Philippinen, Indonesien, Vietnam, Thailand, Laos, Myanmar, Bangladesch, Bhutan, Nepal, Indien, Pakistan, Afghanistan, Tadschikistan, Kirgisistan, Kasachstan, Mongolei und ja: auch Nordkorea.

Was ich China zugutehalten muss in dieser ganzen Konstellation: sie haben halt in ihrer langen Geschichte schlechte Erfahrungen gemacht und mehrmals wurde das Land von ihren Nachbarn heimgesucht, die sich nicht gerade zivilisiert aufgeführt haben: Mongolen, Japaner, Briten, Amerikaner… Das macht vorsichtig und misstrauisch. Trotzdem kam uns das Feindbilddenken etwas antiquiert vor und aus europäischer Sicht gäbe es doch ganz einfache Lösungen. Aber das ist eben nicht die Sache von Herrn und Frau Wang (repräsentativ).


Meine Übersetzung: "Unsere Besten" ... Kennen DDR-Bürger ja auch noch...

Neben unserem Staatsbürgerkunde-Unterricht haben wir auch unser Besichtigungsprogramm weiter abgespult. Am Freitag ging es zur Grossen Chinesischen Mauer nördlich von Peking. Nach einer Autofahrt durch den Smog kamen wir in Mutianyu an, einem der am besten erhaltenen Abschnitte mit sehr schönen Zinnen und Wachtürmen. Ganz so, wie man sich die Chinesische Mauer vorstellt. Sogar das Wetter klarte etwas auf uns wir konnten einen grösseren Abschnitt überblicken (mit ein bisschen Drehen an den Reglern kann man auch aus schlechten Bildern noch fast gute machen…). Die Mauer verfolgte damals schon den Zweck, sich gegen den Böfei im Norden zu schützen, die Mongolen. (Komischerweise denkt heute kein Chinese daran, dass die Gebiete nördlich der Mauer vielleicht zur Mongolei gehören könnten…). Heute ist sie Welterbe und Touristenmagnet. Zum Glück waren am Donnerstag nicht so viele Besucher da und wir konnten in aller Ruhe in den 2 Stunden, die uns Herr Wang zubilligte, auf der Mauerkrone herumschlendern. In dem von uns besuchten und einigen anderen Abschnitten ist die Mauer in sehr gutem Zustand, doch leider gibt es auch sehr viele und lange Abschnitte, die in einem beklagenswerten Zustand sind. Zumindest hat die Regierung verboten, dass die Mauer zum Zwecke der Steingewinnung für Wohnhäuser abgetragen wird. Die Erhaltung eines so grossen Bauwerkes – mehrere Tausend Kilometer lang – muss Unsummen an Geld kosten und ich würde gerne mal eine längere Tour an der Mauer machen. Der Besuch in Mutianyu hat uns jedenfalls sehr beeindruckt.


Die höchst beeindruckende Chinesische Mauer.
Flache und steile Abschnitte wechseln sich ab.

Ein beeindruckendes Stück Geschicht.
Und viel zu tun und zu verantworten für den Staat.

Ein wenig gut erhaltener Teil der Mauer in weiter Ferne
(ich bin erstaunt, was trotzdem noch auf dem Bild zu erkennen ist)

Konfuzuius lächelt belustigt... 

Für Samstag und Sonntag Vormittag standen dann noch diverse Baudenkmäler auf unserem Programm:
  • Der Olympiapark von 2008, der im Wesentlichen leer vor sich hinsteht, fast im Smog verschwunden
  • Der Sommerpalast, eine Kleinausgabe der Verbotenen Stadt, in der der Kaiser von April bis Ende Oktober wohnte
  • Der Lamatempel, der die Verbundenheit Tibets mit China zeigen soll/muss
  • Der Konfuziustempel, zu dem Herr Wang überhaupt nichts zu sagen wusste
  • Der Himmelstempel mit dem Mittelpunkt der Welt. Die Kaiser zogen zweimal jährlich hierher, um vor dem Himmel Rechenschaft abzulegen und für gute Ernte zu beten. Die Halle des Erntegebets ist das Wahrzeichen von Peking.
  • Zum Schluss unseres Peking-Ausfluges besuchten wir noch den Antik-Markt in Panjiyuan, der angeblich grösste Flohmarkt Chinas. Erst war ich etwas unmotiviert, denn auf dem Markt gab es zumeist „neues“, hauptsächlich Handwerkskunst, aber auch ein viele antiquarische Stände mit Mao-Bibeln, Revolutionsplakaten und ganz vielen Büchern aus dem Westen. Am Ende war es noch ein witziger Abschluss, denn das Markttreiben und die vielen Stände gaben zum Schluss nochmal einen kurzen Einblick in das Pekinger Leben.

Die "Halle des Erntegebetes"
Das schönste Gebäude in Peking und Wahrzeichen der Stadt 

Markttreiben...

Noch mehr Markttreiben...

Und noch mehr. Business as usual...

Essensmässig mussten wir uns selbst versorgen, d.h. am Mittag gab es gar nichts. Frühstück im Hotel und am Abend haben wir uns ebenfalls weitgehend im Hotel versorgt. Jedoch einmal wollten wir ganz ordentlich ausgehen und Peking-Ente essen in einem traditionellen Restaurant. Dieses haben wir nach einigem Suchen auch gefunden: ein 600-jähriges Pekinger Lokal in einer grossen Einkaufsmall (???) und mit langer Warteschlange vor der Tür. Als wir endlich an der Reihe waren, stellte sich heraus, dass vom Personal nur eine Person ein paar Brocken Englisch verstand. Das wurde dann unsere persönliche Kellnerin. Das Menü war typisch mit Bildern und sogar mit englischen Untertiteln versehen. Eine Peking-Ente erschien uns dann schliesslich zu gross (ständig wurden an unserem Tisch welche vorbeigetragen…), so entschieden wir uns für Suppe, Gemüse und ein Hühnchen, auf das ich sehr deutlich mit dem Finger in der Menükarte gezeigt habe. Schliesslich kamen dann Gemüse, Salate, Suppe und Reis und sogar Bier, aber was auf sich warten liess, war das Huhn. Und es kam auch den Rest des Abends nicht mehr und stand, wie ich später bemerkte, auch gar nicht mehr auf unserem Bestellzettel. Irgendwas ist falsch gelaufen an dem Abend und wir haben somit eine wunderbare vegetarische Pekingente gehabt. Nach wie vor bin ich der Meinung, dass der Fehler irgendwo beim Restaurant lag. Wenn also nicht mal die Essensbestellung funktioniert, dann wird das nichts mit der Weltherrschaft...


Unsere Essensbestellung. Das Huhn? Steht nicht drauf.


Mao und Buddha: wer wird zuletzt lachen?
(Subversives Handeln hat viele Gesichter...)



13 Oktober 2016

Ein bisschen Propaganda

Heute war unser Propaganda- und Kulturtag. Mister Wang, unser Guide, holte uns um 9 Uhr im Hotel ab und dann ging es sogleich auf die kurze Fahrt zum Tian’anmen-Platz, dem Platz des Himmlischen Friedens. Dieser ist heute und seit 27 Jahren gar nicht so friedlich abgesperrt und zugegittert und von hunderten Militärpolizisten bewacht. Die Anzahl der Kameras, die von überall her auf den Platz herunteräugen, kann man nur ganz grosszügig schätzen. Auf welch wackligen Beinen muss ein Riese stehen, wenn dieser ganze Bewachungsaufwand nötig ist?

Auf dem Platz des Himmlischen Friedens.
Huldvoll lächelt der Vorsitzende Mao über das Volk

Wieso steht der Feuerlöscher da?

 Ansonsten ist der Platz riesig, eben so wie man sich ihn vorstellt nach den vielen Jahren Fernsehberichten aus China. Auf der Südseite steht das Mao-Mausoleum. Drei Stunden anstehen und man kann den konservierten hochverehrten Vorsitzenden Mao seine Reverenz erweisen (haben wir nicht gemacht). Rechterhand, auf der Ostseite steht das monumentale Chinesische Nationalmuseum. Das – wie könnte es anders sein – grösste Museum der Welt. Wir waren auch da nicht drin. Gegenüber des Museums steht die Grosse Halle des Volkes, das Parlaments- und Parteitagsgebäude. Da waren wir drin und davon wird noch die Rede sein.
Und zum Schluss, auf der Nordseite und gen Süden gewandt das Tor des Himmlischen Friedens, Namensgeber für den Platz und Haupteingang (aber früher nur für den Kaiser) zur Verbotenen Stadt. Und darüber das berühmte Mao-Bildnis unter der Balustrade, von der aus er am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik China ausrief, nach jahrelangem Bürgerkrieg und japanischer Besatzung. Geradezu milde lächelt der Vorsitzende von seinem Platz über den Platz und wirkt ganz frisch und neu. Das mag hauptsächlich daran liegen, dass das Bildnis jedes Jahr im September erneuert wird, damit auch kein noch so kleiner Altersfleck den Nimbus, den Mao vor allem bei älteren Chinesen geniesst, ankratzen könnte.


Tian'anmen - Das Tor des Himmlischen Friedens.

Leider war das Tor des Himmlischen Friedens heute nicht geöffnet, somit mussten wir die Verbotene Stadt durch eines der Nebentore (eines für Beamte und eines für Soldaten) betreten. Die ganze Riesenanlage, von der ich immer dachte, es wäre eine parkähnliche Ansammlung von Palästen, ist in einer strengen Abfolge aufgebaut. Innenhof folgt auf Innenhof und jedes Tor und jeder Weg hat seine ganz bestimmte Bedeutung gehabt. Der Kaiser wurde auf einer Sänfte natürlich getragen und jede Halle war nur ganz bestimmten Personen zugänglich.  Insgesamt muss das Regieren hier ein ziemliches Getue gewesen sein. Man denke allein an die langen Wege. Und der Kaiser musste sich auf seine Beamte gut verlassen können, denn wie sonst sollte der arme Mann Entscheide treffen, die allen gerecht werden – oder mindestens den wichtigen Leuten in seiner Umgebung.
Am Ende der Tour und nach ein paar Einlassungen unseres Mister Wangs war für uns klar: In China wird das Modell „Europäische Demokratie“ für China als unzulänglich angesehen, aber den Kaiser wollte man auch nicht mehr. Also hat man den Kaiser durch die Partei ersetzt, ansonsten blieb alles beim Alten: die Beamten, die Soldaten und die Zivilisten. Wie seit 3000 Jahren.

Die Halle der Höchsten Harmonie in der Verbotenen Stadt
In der Verbotenen Stadt. Solche Innenhöfe folgen auf solchen.
"Wir folgen dem Vorsitzenden Mao"
Ach nein, das hier ist historisch. Bis in die höchsten Spitzen sehr deteilliert.

Heute muss die Partei natürlich noch ein bisschen Propaganda machen und tatsächlich und endlich habe ich gefunden, wonach ich suchte: ein aktuelles Partei-Plakat. Ziemlich lahm, aber immerhin. Auf meine Frage an Mister Wang, was da drauf steht, winkte er ab: „Ach komm, das ist nur Propaganda.“ Okay, dann übersetze ich mir das eben selbst: „Denke daran: mit den Lehren des Vorsitzenden und der Partei zum Sieg!“ Oder so ähnlich…

Oder so: "Die Lehren des Vorsitzenden Mao verhelfen zum Sieg!" Oder so

Nach einem Rundgang durch einen Park mit See – am lustigsten waren die gelben Enten-Tretboote – erklärte uns Herr Wang, das wir jetzt fertig seien und um alles andere müssten wir uns selbst kümmern. Genau! Da war ja noch die Grosse Halle des Volkes. Wenn Parlamentsgebäude solche Namen tragen, ist gesunde Skepsis angezeigt. Einerseits. Andererseits lockt sowas zum Besuch und somit musste uns der Fahrer an der Halle absetzen und wir haben eine kurze Tour durch ein Parlamentsgebäude gemacht, dass ein Mal jährlich benutzt wird, nämlich dann, wenn der nationale Volkskongress zusammentritt und durchwinkt, was die Partei in ihrer Weisheit bereits beschlossen hat. Früher sprangen die Abgeordneten noch im Gleichschritt auf und klatschten rhythmisch zu den Reden der Partei- und Staatsführer. Diese Zeiten sind wohl vorbei, aber mehr Macht und Einfluss hat das Parlament deswegen nicht. Ob dieses ganzen Stillstandes ist das Gebäude in einem Zustand, den man als „konserviert“ bezeichnen könnte. Alles ein bisschen runtergekommen, aber nicht gerade kaputt. Das Inventar, die Stühle und so sind im Design der Erbauungszeit (Ende 50er Jahre) und überhaupt scheint die ganze „gute alte Zeit“ in dem Riesenkasten zu stecken. Im Gegensatz zu Maos Leichnam gegenüber im Mausoleum oder zum Bildnis am Tor nagt hier ganz eindeutig, aber ganz langsam der Zahn der Zeit. Leider mussten wir bald wieder raus, der öffentliche Teil des Tages war vorbei. Gerne hätte ich noch den Parteitagssaal gesehen, aber der war wohl ohnehin nicht öffentlich zugänglich. Der Eintrittskartenschalter und die Taschenaufbewahrung waren übrigens auch ganz im Stile früherer Zeiten. Hier, inmitten des aufstrebenden Chinas, an der Grossen Halle des Volkes, hat sich die Zeit praktisch nicht verändert und ausser den Alu-Marken, die bei der Taschenaufbewahrung ausgegeben werden, bewegt sich hier auch nichts.


???


Sozialistischer Klassizismus: Mit Mao zum Sieg. Aber auch Mao ist verstorben und entgegen seinem Wunsch wurde er einbalsamiert und un-ruht seitdem rechterhand im Mausoleum

Den Rückweg vom Tian’anmen zu unserem Hotel machten wir zu Fuss. Zum Glück, denn so kamen wir noch in das Vergnügen, ein Postamt von innen zu bestaunen. Im Gegensatz zur Grossen Halle hat sich die Zeit hier nicht ganz so lang nicht bewegt, vielleicht nur 35 Jahre. Eine offene Schalterhalle, ganz morbider Charme, Pressplatten-Mobiliar, dass von ungezählten Händen schmutzig und schmuddelig ist. Auf den Computermonitoren alte DOS-Programme, Endlos-Druckerpapier auf Vorrat. Und alle Postbeamtinnen werden aus der gegenüberliegenden Seite überwacht vom Postvorsteher, der sein eigenes kleines Karee neben den Eingangstüren hat und eigentlich nur an seinem Schreibtisch sitzt. Ich liebe es. Aber leider konnte ich keine Fotos machen.


Das "Playmate" des Monats - interessiert sich nicht für Politik