11 Oktober 2016

Wie ich das Land von Kim Jong Un besuchte

Wie der geneigte Leser sicher schon bemerkt hat, bin ich mit dem Berichten hinterher und die Ausrede „lahmes Internet“ oder „chinesische Great Internet Fire Wall“ zählt in Wahrheit nicht ganz. Somit mache ich mich also auf, den Höhepunkt der letzten Tage zusammenzufassen.

Etwa seit Beginn der Planung dieser Reise nach China stand im Raum, einen grösseren Abstecher zu machen und für mich war ziemlich bald klar, wohin der zu gehen hat. Schon seit vielen Jahren bin ich fasziniert von der Situation der beiden Koreas, dem Konflikt zwischen Nord und Süd und dem absurden Getue, welches die Herrscher von Pjöngjang (Norden) zur Schau stellen. Ganz früher war es Kim Il Sung, den fleissige DDR-Schulkinder noch kennen und der den kommunistischen Staat im Norden gegründet hat. Und den ausufernden Personenkult. Gottgleich starb Kim im Jahre 1994 und wer mag sich nicht an die grotesken Szenen erinnern, die uns via Fernsehen über die Trauer des Volkes erreichten (auf Youtube kann man alles nochmal anschauen).

Nachdem also Gott tot war, kam der Sohn an die Macht: Kim Jong Il. Seines Zeichens Veranstalter immenser Militärparaden im Stechschritt und mit fetziger Marschmusik, auch alles bei Youtube zu sehen. Kim Jong Il schaffte es, den in den späten 80er Jahren begonnenen Tauwetterprozess zwischen Norden und Süden zu beenden und sein an Rohstoffen reiches Land an den Abgrund zu fahren und nebenher die grösste stehende Armee der Welt und ein Atomprogramm zu betreiben. Fast nebensächlich ist dabei seine angeblich weltgrösste Sammlung an XXX-VHS-Videokassettensammlung, welche er nach seinem Ableben seinem Nachfolger-Sohn, einem kleinen dicklichen Jungen von 30 Jahren mit Ausbildung in der Schweiz vermacht haben muss. Neben Fortführung des Atomprogramms, ärgern des Nachbarn im Süden und des treuen Verbündeten China musste Kim Jong Un wohl jetzt auch noch die letzten Restposten von Abspielgeräten für besagte VHS-Kassetten am Embargo vorbei auf Vorrat einkaufen, denn der einzige Hersteller hat seine Produktion 2016 auslaufen lassen. Schwierige Zeiten also für einen Diktator in einer neuen Welt, so ganz abgeschottet und ungeliebt vom Rest der Welt.

Was also lag näher, als Nordkorea da zu besuchen, wo es für „normale“ Menschen mit Hang zu etwas morbiden Vergnügungen noch möglich ist? Tun kann der Tourist dies in Panmunjeom, einer kleinen Militärsiedlung direkt auf der Grenze, der Militärischen Demarkationslinie. Diese zerschneidet Nord- und Südkorea und entstand, nachdem der bereits erwähnte „Grosse Führer Genosse Kim Il Sung“ die koreanische Halbinsel 1950 in den Koreakrieg stürzte, welcher nach 3 Jahren und 4 Millionen Toten zufällig fast auf der vorherigen Grenze mit einem Waffenstillstand endete. Dieser Waffenstillstand gilt bis heute fort (Nordkorea hat den entsprechenden Vertrag aber vor einiger Zeit gekündigt) und wird von Vertretern beider Seiten unter Aufsicht von Militärvertretern aus Schweden und der Schweiz überwacht. In Panmunjeom treffen sich gelegentlich Vertreter beider Seiten zu formellen Gesprächen, aber wohl eher selten. Das absurde dabei ist: die Vertreter beider Seiten sitzen an einem Tisch, durch dessen Mitte die Grenze verläuft. Somit braucht keiner die andere Seite zu betreten und formal bleibt jeder in seinem Land. Drumherum ist die ganze DMZ (Demilitarisierte Zone) abgeriegelt mit Stacheldraht, Wachtürmen, Fahrstreifen etc. Bei Leuten aus Deutschland Ost und West kommen da ganz komische Gefühle auf und die ganze Situation des geteilten Koreas ist auch für die Koreaner ein ewiger Schmerz.
Panmunjeom haben wir also besucht. Mit einem Vorlauf von drei Monaten hat mein Bruder die Tour gebucht, Ausweiskopien geschickt, nachgefragt und immer wieder den Status gecheckt. Nichts sollte dem Zufall oder einer Nachlässigkeit überlassen sein, denn die Kontrollen sind strikt und die Richtlinien absurd: keine legere Kleidung, geschlossene Schuhe, keine beschrifteten Kleidungsstücke, Winken verboten, Fotografieren sowieso, ausser  an genau drei Orten. Unser Guide, eine junge Koreanerin namens Frau Li würde uns laut und deutlich sagen, wann wir Fotos machen könnten. So präpariert fuhr unser Bus in die DMZ ein. Dann gab es noch ein kurzes Briefing und jeder musste einen Zettel von der UNO unterschreiben, wo alle Regeln nochmal draufstanden zuzüglich des Hinweises, dass man erschossen werden könnte und einer Beschreibung, wie südkoreanischen Soldaten aussehen und wie diejenigen von Norden aussehen. Auf der anschliessenden Fahrt im Militärbus dann wurden tatsächlich die Schuhe kontrolliert.
In Panmunjeom, der kleinen „Joint Security Area“ (JSA) dann Kommandoton: aussteigen und in Zweierreihen aufstellen, wie im Kindergarten, bloss ohne Händchenhalten. Rechte Reihe: Japaner – linke Reihe alle anderen, wegen der Dolmetscher. Schliesslich standen wir, das südkoreanische „Freedom House“ im Rücken - und ja nicht umdrehen und fotografieren! – vor den berühmten drei blauen Baracken mit dem nordkoreanischen Pavillon im Hintergrund. Oft gesehen im Fernsehen, Internet, Youtube und jetzt direkt davor. Ziemlich still und friedlich lag das ganze Areal vor uns und in greifbarer Nähe, ohne Zaun oder Mauer dazwischen liegt Nordkorea. Ein einzelner nordkoreanischer Soldat bewacht auf der anderen Seite den Eingang zu seinem Pavillon, sonst ist dort niemand zu sehen. Im Vordergrund ein paar Amerikaner in Uniform, die Touristen anraunzen und die die drei typischen Südkoreaner, zwei halbverdeckt an den Baracken und einer „in front of“ dazwischen. Tatsächlich gibt uns Frau Li jetzt auch die Erlaubnis zum fotografieren, aber nur Richtung Nord! Zwei Minuten lang rattern die Kameras, dann ist Schluss.

Die berühmten blauen Baracken der Waffenstillstandskommission

Im Inneren: auf der Tischmitte verläuft die Grenze zwischen Nord- und Südkorea

 In Zweierreihen Abmarsch zur mittleren Baracke, quasi dem Höhepunkt des Ganzen. Was vorher schon komisch war, verstärkt sich jetzt nochmal: die eine Hälfte der Gruppe steht schon im Norden, während wir noch im Süden sind. Frau Li gibt noch ein paar Erklärungen und sagt dann: Nun bitte, laufen Sie herum und gehen Sie nach Nordkorea, so eine Gelegenheit bekommen sie nie wieder. Aber gehen sie nicht hinter den Militärpolizisten zu der Tür, das ist verboten!


So war nun also auch ich in Nordkorea, wenn auch nur 2 Meter. Nach 2 Minuten wiederum war Schluss. Fotografieren einstellen und das Gebäude verlassen, zack zack. Der Waffenstillstand sieht vor, dass Besucher sich nur 10 Minuten in der JSA aufhalten dürfen. Zurück durch den Pavillon in den Bus und Abfahrt, das wars.

Einsamer Wächter. Was er wohl so denkt?

Ganz anders dagegen Seoul, die hypermoderne, sympathische 12-Millionen-Hauptstadt Südkoreas. Gerade fand dort ein Kulturfestival statt und viele Menschen waren in den Strassen, auch Demonstranten für alle möglichen erstrebenswerten Ziele. Ich habe mich immer wieder gefragt, wie es wohl zum gleichen Zeitpunkt in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang aussehen würde und was die Leute dort machen und denken. Aber das wird mir wohl verborgen bleiben bis vielleicht irgendwann dieses Gebilde doch noch zusammenbricht.

Sympathisches Seoul

Zur DMZ und der Grenze: Ich habe nun schon einige abgefahrene, seltsame Orte besucht, und dieser gehört mit Bestimmtheit dazu, auch wenn der Besuch nur etwa 10 Minuten gedauert hat.

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