Falls ich es noch
nicht erwähnt hatte: Peking ist eine der Smog-Hauptstädte dieser Welt. Unser Guide
Herr Wang hatte eine gute Erklärung: Weil in der Wüste im Westen so viele Bäume
gepflanzt wurden, kommt der Wind nicht mehr so richtig nach Peking und der Smog
wird nicht abgetrieben. Gesunde Zweifel sind angebracht. Allerdings hatte er
sicher mit einem Recht: da auch die Mächtigen der Partei atmen müssen, wird
etwas geschehen. Frage ist: was und wann?
Während unseres Besuches jedenfalls
passierte nichts und der Air Pollution Index schwankte zwischen 250 und 350,
wobei bei einem Wert von 100 eine kritische Schwelle für empfindliche Personen
liegt, bei 150 eine Gesundheitsgefährdung eintritt, ab 200 eine Vergiftung und
ab 300 jegliche Aktivitäten draussen vermieden werden sollten. Tröstlich: in
den Tagen in Peking, wo sich ca. 20 Millionen Menschen nicht gegen die
Luftverschmutzung wehren können, gab es in Indien einen Ort mit einem Indexwert
von über 700… Und da in Indien, wie wir von Herrn Wang erfahren durften,
sowieso alles viel schlechter ist, ist somit in Peking alles im grünen Bereich….
Olympiapark im Smog |
Sport wird hier schon seit 2008 nicht mehr getrieben. Und der Himmel über Peking ist nur im Werbefilm so blau... |
Überhaupt: Herr Wang: durch ihn sind wir in den letzten beiden Tagen unseres Peking-Besuches nochmal zu so etwas wie Staatsbürgerkunde-Unterricht gekommen, nur eben aus chinesischer Sicht. Er hat uns ja einiges durchaus Kritisches über das heutige China und seine Probleme erzählt. Dadurch konnten wir ein wenig besser verstehen, warum hier die Dinge so laufen, wie sie nun mal laufen und was auch aus Sicht der Chinesen einfach nicht gut ist. Jedoch zwei Themen sind unantastbar: Taiwan und Tibet. Taiwan ist eine chinesische Provinz, untrennbarer Teil von China und derzeit abtrünnig. Aber durch die Politik der Volksrepublik werden die Taiwaner irgendwann erkennen, dass eine Rückwendung zum Mutterland viel besser ist, als eine Hinwendung zu Amerika (wie derzeit). Die Taiwaner würden schon noch erkennen, dass die USA der grosse Feind sind und alle anderen nicht hochkommen lassen wollen. Deswegen muss China wachsen und alle anderen überflügeln, koste es, was es wolle. China ist die Nummer 1! Dann werden die Taiwaner dank ihrer demokratischen Möglichkeiten sich für die Volksrepublik entscheiden.
Und Tibet wurde
vor 50 Jahren von der Sklavenherrschaft des Dalai Lama befreit. Und seiner
Beamten, die das Volk unterdrückt haben. Seit der Befreiung geht es aufwärts
und überhaupt gehört Tibet ja schon seit Jahrhunderten zu China. Man mag das
mit Herrn Wang nicht länger zu diskutieren. Einerseits wissen wir zu wenig,
andererseits hat es einfach keinen Zweck, denn auch Herr Wang (übrigens der
häufigste Name in China uns somit einigermassen repräsentativ) weiss
wahrscheinlich zu wenig und kennt nur seine – die offizielle chinesische –
Wahrheit. Als Aussenstehender mag man sich fragen, wozu dann die ganze
Militärpräsenz in Tibet, wenn doch die Leute dort mit Freuden Teil der
Volksrepublik sind. Oder wozu die gesonderte Einreise-Genehmigung für jedermann
oder warum werden in Tibet unzählige Han-Chinesen angesiedelt und die Tibeter
zu einer Minderheit im eigenen Land gemacht? Auch dazu hätte Herr Wang eine
Erklärung: entweder es stimmt nicht oder man muss sich schützen vor Amerika.
Und überhaupt: China ist ja nur von Feinden umgeben, die alle die Volksrepublik angreifen
wollen oder würden. Im Uhrzeigersinn: Russland, Japan, Südkorea, Philippinen,
Indonesien, Vietnam, Thailand, Laos, Myanmar, Bangladesch, Bhutan, Nepal,
Indien, Pakistan, Afghanistan, Tadschikistan, Kirgisistan, Kasachstan, Mongolei
und ja: auch Nordkorea.
Was ich China zugutehalten
muss in dieser ganzen Konstellation: sie haben halt in ihrer langen Geschichte
schlechte Erfahrungen gemacht und mehrmals wurde das Land von ihren Nachbarn heimgesucht,
die sich nicht gerade zivilisiert aufgeführt haben: Mongolen, Japaner, Briten,
Amerikaner… Das macht vorsichtig und misstrauisch. Trotzdem kam uns das
Feindbilddenken etwas antiquiert vor und aus europäischer Sicht gäbe es doch
ganz einfache Lösungen. Aber das ist eben nicht die Sache von Herrn und Frau
Wang (repräsentativ).
Neben unserem
Staatsbürgerkunde-Unterricht haben wir auch unser Besichtigungsprogramm weiter
abgespult. Am Freitag ging es zur Grossen Chinesischen Mauer nördlich von
Peking. Nach einer Autofahrt durch den Smog kamen wir in Mutianyu an, einem der
am besten erhaltenen Abschnitte mit sehr schönen Zinnen und Wachtürmen. Ganz
so, wie man sich die Chinesische Mauer vorstellt. Sogar das Wetter klarte etwas
auf uns wir konnten einen grösseren Abschnitt überblicken (mit ein bisschen
Drehen an den Reglern kann man auch aus schlechten Bildern noch fast gute
machen…). Die Mauer verfolgte damals schon den Zweck, sich gegen den Böfei im
Norden zu schützen, die Mongolen. (Komischerweise denkt heute kein Chinese
daran, dass die Gebiete nördlich der Mauer vielleicht zur Mongolei gehören
könnten…). Heute ist sie Welterbe und Touristenmagnet. Zum Glück waren am
Donnerstag nicht so viele Besucher da und wir konnten in aller Ruhe in den 2
Stunden, die uns Herr Wang zubilligte, auf der Mauerkrone herumschlendern. In
dem von uns besuchten und einigen anderen Abschnitten ist die Mauer in sehr
gutem Zustand, doch leider gibt es auch sehr viele und lange Abschnitte, die in
einem beklagenswerten Zustand sind. Zumindest hat die Regierung verboten, dass
die Mauer zum Zwecke der Steingewinnung für Wohnhäuser abgetragen wird. Die
Erhaltung eines so grossen Bauwerkes – mehrere Tausend Kilometer lang – muss
Unsummen an Geld kosten und ich würde gerne mal eine längere Tour an der Mauer
machen. Der Besuch in Mutianyu hat uns jedenfalls sehr beeindruckt.
Die höchst beeindruckende Chinesische Mauer. Flache und steile Abschnitte wechseln sich ab. |
Ein beeindruckendes Stück Geschicht. Und viel zu tun und zu verantworten für den Staat. |
Ein wenig gut erhaltener Teil der Mauer in weiter Ferne (ich bin erstaunt, was trotzdem noch auf dem Bild zu erkennen ist) |
Für Samstag und
Sonntag Vormittag standen dann noch diverse Baudenkmäler auf unserem Programm:
- Der Olympiapark von 2008, der im Wesentlichen leer vor sich hinsteht, fast im Smog verschwunden
- Der Sommerpalast, eine Kleinausgabe der Verbotenen Stadt, in der der Kaiser von April bis Ende Oktober wohnte
- Der Lamatempel, der die Verbundenheit Tibets mit China zeigen soll/muss
- Der Konfuziustempel, zu dem Herr Wang überhaupt nichts zu sagen wusste
- Der Himmelstempel mit dem Mittelpunkt der Welt. Die Kaiser zogen zweimal jährlich hierher, um vor dem Himmel Rechenschaft abzulegen und für gute Ernte zu beten. Die Halle des Erntegebets ist das Wahrzeichen von Peking.
- Zum Schluss unseres Peking-Ausfluges besuchten wir noch den Antik-Markt in Panjiyuan, der angeblich grösste Flohmarkt Chinas. Erst war ich etwas unmotiviert, denn auf dem Markt gab es zumeist „neues“, hauptsächlich Handwerkskunst, aber auch ein viele antiquarische Stände mit Mao-Bibeln, Revolutionsplakaten und ganz vielen Büchern aus dem Westen. Am Ende war es noch ein witziger Abschluss, denn das Markttreiben und die vielen Stände gaben zum Schluss nochmal einen kurzen Einblick in das Pekinger Leben.
Die "Halle des Erntegebetes" Das schönste Gebäude in Peking und Wahrzeichen der Stadt |
Markttreiben... |
Noch mehr Markttreiben... |
Und noch mehr. Business as usual... |
Essensmässig mussten wir uns selbst versorgen, d.h. am Mittag gab es gar nichts. Frühstück im Hotel und am Abend haben wir uns ebenfalls weitgehend im Hotel versorgt. Jedoch einmal wollten wir ganz ordentlich ausgehen und Peking-Ente essen in einem traditionellen Restaurant. Dieses haben wir nach einigem Suchen auch gefunden: ein 600-jähriges Pekinger Lokal in einer grossen Einkaufsmall (???) und mit langer Warteschlange vor der Tür. Als wir endlich an der Reihe waren, stellte sich heraus, dass vom Personal nur eine Person ein paar Brocken Englisch verstand. Das wurde dann unsere persönliche Kellnerin. Das Menü war typisch mit Bildern und sogar mit englischen Untertiteln versehen. Eine Peking-Ente erschien uns dann schliesslich zu gross (ständig wurden an unserem Tisch welche vorbeigetragen…), so entschieden wir uns für Suppe, Gemüse und ein Hühnchen, auf das ich sehr deutlich mit dem Finger in der Menükarte gezeigt habe. Schliesslich kamen dann Gemüse, Salate, Suppe und Reis und sogar Bier, aber was auf sich warten liess, war das Huhn. Und es kam auch den Rest des Abends nicht mehr und stand, wie ich später bemerkte, auch gar nicht mehr auf unserem Bestellzettel. Irgendwas ist falsch gelaufen an dem Abend und wir haben somit eine wunderbare vegetarische Pekingente gehabt. Nach wie vor bin ich der Meinung, dass der Fehler irgendwo beim Restaurant lag. Wenn also nicht mal die Essensbestellung funktioniert, dann wird das nichts mit der Weltherrschaft...
Unsere Essensbestellung. Das Huhn? Steht nicht drauf. |
Mao und Buddha: wer wird zuletzt lachen? (Subversives Handeln hat viele Gesichter...) |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen