22 Mai 2024

Konfirmation in Shanghai

Am Pfingstsonntag, den 19. Mai 2024, fand nun also die Konfirmation statt, die der eigentliche Grund für diese Reise nach Shanghai war.
Man stellt sich das kommunistische China immer so durch und durch kommunistisch vor, jedoch staunt man, wie viele Christen in China trotzdem leben. Aus historischen Gründen gibt es zum Beispiel ca. 5 Millionen Katholiken allein in der offiziellen Staatskirche plus geschätzte 12 Millionen weitere, die verdeckt in Hauskirchen Gottesdienste abhalten. Und da sind wir beim Thema Religionsfreiheit in China. Offiziell ist diese seit 1949 in der Verfassung der Volksrepublik festgeschrieben, allerdings mit Zusätzen, die wir hier in Europa als «Gummiparagraphen» bezeichnen würden. Zum Beispiel ist laut Verfassung «die normale Religionsausübung» zulässig, und was das ist, liegt in der Beurteilung von Staat und Partei. Diese und viele andere Restriktionen/Repressionen haben dazu geführt, dass in China nur eine Handvoll Religionsgemeinschaften zugelassen sind, die alle die kommunistische Partei als führende Macht im Staate zu akzeptieren haben und sie müssen die «Nation lieben». Und selbstverständlich dürfen diese Gemeinschaften keiner «ausländischen Herrschaft» unterliegen (und der Vatikan ist in diesem Sinne «Ausland»). Insbesondere bei den christlichen Gemeinden wird deutlich, was von ihnen erwartet wird. Sie tragen Namen wie «Chinesische Katholisch-Patriotische Vereinigung» oder die protestantische «Drei-Selbst-Gesellschaft», der «Chinesische Christenrat» und andere, offiziell anerkannte Gemeinschaften. Sie alle sind streng auf Parteilinie, weil sie sich keine Abweichungen erlauben dürfen. Eine Religionsfreiheit im europäischen Sinne existiert nicht und jede dieser Organisationen, die das anstreben würde, verschwände innerhalb kürzester Zeit von der chinesischen Bildfläche.
Etwas anderes ist es bei der Gemeinde, in der mein Bruder mit seiner Familie ist. Das ist eine reine Ausländergemeinde, in der auch keine chinesischen Bürger Mitglieder werden dürfen, geschweige denn deren Gottesdienste besuchen dürfen. Diese finden in deutscher Sprache statt und es gibt kein eigenes Kirchengebäude. Ort der Gottesdienste wechselt von Sonntag zu Sonntag, denn es muss ein Antrag bei einer Behörde gestellt werden, und dann bekommt die Gemeinde ein Gotteshaus vom Staat zugewiesen inklusive exakt vorgegebener Nutzungsdauer. In unserem Fall war das nach einer Nachverhandlung von 13 bis 17 Uhr. Unsere Kirche am Pfingstsonntag war die vormals anglikanische «All Saints Church» am Rande der French Concession, mitten in Shanghai. Ein etwa einhundertjähriger Bau, der jetzt von einer der offiziellen Gemeinden genutzt werden kann und für den die Auslandsgemeinde für ihre eigene Nutzung selbstverständlich Miete zu zahlen hat.

 

Die All Saints Church in Shanghai

 

Und von innen


Aber es war eine schöne Konfirmation: 9 junge Leute aus den Expat-Familien wurden konfirmiert (genaugenommen wurde einer von ihnen gesegnet, da er bzw. die Eltern der orthodoxen Kirche zugehörig ist.) Der Posaunenchor musizierte, ein Dudelsackspieler aus Erlangen (in fränkischer Lederhose) spielte, eine Familie führte Bachs «Air» auf und der Kirchenchor sang. Die Leitung hatte Pfarrer Wolfgang Gern aus Darmstadt, derzeitiger Vertretungspfarrer in Shanghai. Unterstütz wurde er von Pfarrer Michael (Vorname) vom katholischen Zweig der Gemeinde und von meinem Vater, obwohl der schon seit langer Zeit im Ruhestand ist, aber einmal in Shanghai eine Konfirmandensegnung vorzunehmen, wollte er sich nicht entgehen lassen. Die Eltern hatten alles so schön vorbereitet und die kleine Gemeinde versammelte sich nach dem Gottesdienst noch zum Plausch und Umtrunk im Kirchhof, direkt unter den Wolkenkratzern und inmitten des Getümmels einer östlichen Weltstadt.
Am Abend dann gab es noch ein schönes gemeinsames Abendessen mit drei der Konfirmandenfamilien in einem österreichischen Restaurant namens «Zeitgeist». Mehrere Gänge Spezialitäten aus Shanghai, die österreichisches Flair vermitteln sollten. Allerdings fehlte dem Restaurant die Präzision eines mitteleuropäischen Unternehmens, so dass die Essensmengen nicht besonders gut verteilt waren. Macht nix, war trotzdem lecker und die Bar-Flatrate sorgte für Bier- und Aperol-Nachschub für die Erwachsenen und Kakao für die Kinder. Also, es war ein rundum gelungener Tag.
 
Fun Fact zum Schluss: ich habe oben vom katholischen Pfarrer Michael und seiner Mitwirkung beim evangelischen Konfirmationsgottesdienst geschrieben. Hier in Shanghai gibt es nicht viele Hindernisse in der Ökumene. Man muss zusammenhalten und so gibt es viele gemeinsame Aktivitäten ohne die eine solche Gemeinde es sehr viel schwieriger hätte. Von ihren Mutterkirchen werden die Gemeindezweige zwar unterstützt, jedoch es ist schwierig, daheim im fernen Deutschland diese Unterstützung zu organisieren. Zudem trifft auch hier der Fachkräftemangel die Gemeinde – jedenfalls die evangelische – denn sie suchen einen Pfarrer, aber niemand will nach Shanghai kommen. So müssen sie sich noch mit Vertretungen zufriedengeben und gelegentlich wird jemand aus Deutschland eingeflogen, der diesen Job gerne übernimmt, so wie Wolfgang Gern am Pfingstsonntag.

 

Fränkische Gürtelschnalle

Übrigens waren wir am Samstag Abend noch zum Peking-Ente essen und haben nachgeholt, was im Jahr 2016 so gründlich danebenging, nämlich genau die Peking-Ente zu essen...

 

18 Mai 2024

Reiseanflug


Irgendwann Mitte des Jahres 2023 schrieb mein Bruder in der Familien-Chatgruppe, dass die chinesische Regierung ab Herbst die Visapflicht für einige Länder versuchsweise aussetzt, unter anderem für Inhaber von deutschen Reisepässen. Somit würde touristisches Reisen bis 15 Tage Aufenthalt sehr einfach möglich sein. Und im Mai 2024 hätte Sohn Johannes Konfirmation und es wäre schön, auch wenn der Weg weit ist, wenn sich jemand von der Familie auf den Weg machen könnte. Diese Aufforderung war ziemlich genau an meinen Vater und mich gerichtet, denn einerseits waren wir bereits im Jahr 2016 zu Besuch in Shanghai und andererseits waren wir wohl die einzigen aus der Familie, die einigermassen flexibel in Bezug auf Zeit und Familie reisen könnten. Und so wurde die Entscheidung im Dezember getroffen, am 15. Mai für zwölf Tage nach Shanghai zu reisen, die Konfirmation mitzuerleben und nebenbei ein paar Tage Ferien mit dem dortigen Teil der Familie zu unternehmen. Ausser den Flugtickets war im Moment nichts weiter notwendig und es war ja auch noch etwas Zeit bis zur Abreise.

Inzwischen ist ein gutes halbes Jahr vergangen und nach den – wenigen – nötigen Vorbereitungen und Planungen sind wir am 15. Mai tatsächlich von Frankfurt nonstop nach Shanghai gestartet. Dieses Mal haben wir uns, im Gegensatz zu 2016, mit einem Flug in der Economy Class begnügt und die zwölf Stunden Flugzeit waren dementsprechend hart und eng, gingen aber trotzdem vorüber. Am Morgen des 16. Mai landeten wir pünktlich und müde in Pudong und waren etwa zwei Stunden später bei meinem Bruder zu Hause. Gebracht hat uns der Fahrer von Ben, der solche Fahrten auf Abruf erledigt und tatsächlich mit einem Schild mit unserem Namen am Flughafenausgang bereitstand.

Für den Rest des Tages gab es keine grösseren Aktivitäten mehr. Mittagessen bei einem asiatischen Italiener mit recht guter Pasta und Pizza. Dann Familienzusammenkunft, nachdem die Kinder aus der Schule kamen und schliesslich sassen wir alle zum Kaffeetrinken und später zum Abendessen am Tisch. Anschliessend ging jeder und jede noch eigenen Aktivitäten nach: Ben musste international telefonieren (China, Japan, Indien, USA…), die grossen Kinder mussten Hausaufgaben erledigen und ich liess mich von meiner jüngsten Nichte in die Geheimnisse von «Mia and me – Abenteuer in Centopia» einführen, eine Anime-Serie mit Feen, Einhörnern und fliegenden Einhörnern.

Was steht uns nun noch bevor in der relativ kurzen Zeit hier? Zunächst wird also am Pfingstsonntag, den 19. Mai, die Konfirmation stattfinden. In einer vom Staat zugewiesenen Kirche und mit anschliessendem Mittagessen in einem deutschen Restaurant. Am Pfingstmontag haben die Kinder ausnahmsweise frei, denn der Tag ist in China selbstverständlich kein Feiertag. Aber die deutsche Schule macht gewisse Ausnahmen im Einzelfall.

Wir werden vielleicht den Tag nutzen für einen Besuch im Stadtzentrum. Gleiches gilt für die darauffolgenden Tage bis Donnerstag, dann vielleicht etwas spezifischer.

Am Freitag gibt es vielleicht einen zweitätigen Ausflug mit der Bahn. Das steht noch nicht ganz fest und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wir werden sehen. Und am Sonntag, den 26. Mai müssen wir leider schon wieder abreisen. So schnell wird die Zeit vergehen.

Ein paar Formalitäten mussten noch erledigt werden. Zum Beispiel hatten wir uns innerhalb von 24 Stunden nach Ankunft bei der örtlichen Polizeistation anzumelden. Läuft aber heute alles via Internet...

Nachfolgend noch ein paar Handyfotos von gestern, dem Tag unserer Anreise.


Reiseanflug über Pudong

So sieht es im Wohnviertel aus: Compound für die Bessergestellten.

Canale Grande. Sieht hübsch aus, aber man kann sich die Mückenschwärme vorstellen...