Am Pfingstsonntag, den 19. Mai 2024, fand nun also die Konfirmation statt, die der eigentliche Grund für diese Reise nach Shanghai war.
Man stellt sich das kommunistische China immer so durch und durch kommunistisch vor, jedoch staunt man, wie viele Christen in China trotzdem leben. Aus historischen Gründen gibt es zum Beispiel ca. 5 Millionen Katholiken allein in der offiziellen Staatskirche plus geschätzte 12 Millionen weitere, die verdeckt in Hauskirchen Gottesdienste abhalten. Und da sind wir beim Thema Religionsfreiheit in China. Offiziell ist diese seit 1949 in der Verfassung der Volksrepublik festgeschrieben, allerdings mit Zusätzen, die wir hier in Europa als «Gummiparagraphen» bezeichnen würden. Zum Beispiel ist laut Verfassung «die normale Religionsausübung» zulässig, und was das ist, liegt in der Beurteilung von Staat und Partei. Diese und viele andere Restriktionen/Repressionen haben dazu geführt, dass in China nur eine Handvoll Religionsgemeinschaften zugelassen sind, die alle die kommunistische Partei als führende Macht im Staate zu akzeptieren haben und sie müssen die «Nation lieben». Und selbstverständlich dürfen diese Gemeinschaften keiner «ausländischen Herrschaft» unterliegen (und der Vatikan ist in diesem Sinne «Ausland»). Insbesondere bei den christlichen Gemeinden wird deutlich, was von ihnen erwartet wird. Sie tragen Namen wie «Chinesische Katholisch-Patriotische Vereinigung» oder die protestantische «Drei-Selbst-Gesellschaft», der «Chinesische Christenrat» und andere, offiziell anerkannte Gemeinschaften. Sie alle sind streng auf Parteilinie, weil sie sich keine Abweichungen erlauben dürfen. Eine Religionsfreiheit im europäischen Sinne existiert nicht und jede dieser Organisationen, die das anstreben würde, verschwände innerhalb kürzester Zeit von der chinesischen Bildfläche.
Etwas anderes ist es bei der Gemeinde, in der mein Bruder mit seiner Familie ist. Das ist eine reine Ausländergemeinde, in der auch keine chinesischen Bürger Mitglieder werden dürfen, geschweige denn deren Gottesdienste besuchen dürfen. Diese finden in deutscher Sprache statt und es gibt kein eigenes Kirchengebäude. Ort der Gottesdienste wechselt von Sonntag zu Sonntag, denn es muss ein Antrag bei einer Behörde gestellt werden, und dann bekommt die Gemeinde ein Gotteshaus vom Staat zugewiesen inklusive exakt vorgegebener Nutzungsdauer. In unserem Fall war das nach einer Nachverhandlung von 13 bis 17 Uhr. Unsere Kirche am Pfingstsonntag war die vormals anglikanische «All Saints Church» am Rande der French Concession, mitten in Shanghai. Ein etwa einhundertjähriger Bau, der jetzt von einer der offiziellen Gemeinden genutzt werden kann und für den die Auslandsgemeinde für ihre eigene Nutzung selbstverständlich Miete zu zahlen hat.
Die All Saints Church in Shanghai |
Und von innen |
Aber es war eine schöne Konfirmation: 9 junge Leute aus den Expat-Familien wurden konfirmiert (genaugenommen wurde einer von ihnen gesegnet, da er bzw. die Eltern der orthodoxen Kirche zugehörig ist.) Der Posaunenchor musizierte, ein Dudelsackspieler aus Erlangen (in fränkischer Lederhose) spielte, eine Familie führte Bachs «Air» auf und der Kirchenchor sang. Die Leitung hatte Pfarrer Wolfgang Gern aus Darmstadt, derzeitiger Vertretungspfarrer in Shanghai. Unterstütz wurde er von Pfarrer Michael (Vorname) vom katholischen Zweig der Gemeinde und von meinem Vater, obwohl der schon seit langer Zeit im Ruhestand ist, aber einmal in Shanghai eine Konfirmandensegnung vorzunehmen, wollte er sich nicht entgehen lassen. Die Eltern hatten alles so schön vorbereitet und die kleine Gemeinde versammelte sich nach dem Gottesdienst noch zum Plausch und Umtrunk im Kirchhof, direkt unter den Wolkenkratzern und inmitten des Getümmels einer östlichen Weltstadt.
Am Abend dann gab es noch ein schönes gemeinsames Abendessen mit drei der Konfirmandenfamilien in einem österreichischen Restaurant namens «Zeitgeist». Mehrere Gänge Spezialitäten aus Shanghai, die österreichisches Flair vermitteln sollten. Allerdings fehlte dem Restaurant die Präzision eines mitteleuropäischen Unternehmens, so dass die Essensmengen nicht besonders gut verteilt waren. Macht nix, war trotzdem lecker und die Bar-Flatrate sorgte für Bier- und Aperol-Nachschub für die Erwachsenen und Kakao für die Kinder. Also, es war ein rundum gelungener Tag.
Fun Fact zum Schluss: ich habe oben vom katholischen Pfarrer Michael und seiner Mitwirkung beim evangelischen Konfirmationsgottesdienst geschrieben. Hier in Shanghai gibt es nicht viele Hindernisse in der Ökumene. Man muss zusammenhalten und so gibt es viele gemeinsame Aktivitäten ohne die eine solche Gemeinde es sehr viel schwieriger hätte. Von ihren Mutterkirchen werden die Gemeindezweige zwar unterstützt, jedoch es ist schwierig, daheim im fernen Deutschland diese Unterstützung zu organisieren. Zudem trifft auch hier der Fachkräftemangel die Gemeinde – jedenfalls die evangelische – denn sie suchen einen Pfarrer, aber niemand will nach Shanghai kommen. So müssen sie sich noch mit Vertretungen zufriedengeben und gelegentlich wird jemand aus Deutschland eingeflogen, der diesen Job gerne übernimmt, so wie Wolfgang Gern am Pfingstsonntag.
Fränkische Gürtelschnalle |
Übrigens waren wir am Samstag Abend noch zum Peking-Ente essen und haben nachgeholt, was im Jahr 2016 so gründlich danebenging, nämlich genau die Peking-Ente zu essen...
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