Wilmington habe ich mit etwas Wehmut hinter mir gelassen, denn obwohl das Städtchen doch recht eingeschlafen wirkte - zum Erholen und Herumstreifen (Cruisen zu Fuss) hätte ich hier noch weitere viele Tage verbringen können. Alles war so schön wohlgeordnet und friedlich und nicht ganz so auf Hochglanz poliert. Wunderschön. Vielleicht auch deshalb wurde Wilmington inzwischen zu einen Hotspot für die Filmindustrie Amerikas. Allein in meiner Pension wurden mehrere Dreharbeiten durchgeführt und das hauseigene Fotoalbum präsentierte stolz die Bilder und Berichte dazu. Es war eben auch zu gut, um nicht als Filmkulisse entdeckt zu werden...
Aber ich musste doch weiter und bin aufgebrochen zu den Outer Banks, einem dünnen, langgezogenen Inselstreifen, der den Atlantischen Ozean vom Pamlico Sound und wiederum vom amerikanischen Kontinent trennt. Mitten im Meer, wie es scheint, ziehen sich die Inseln von Nord nach Süd, kaum einen Meter über dem Meeresspiegel und mehrere Hundert Kilometer lang. Links Wasser, rechts Wasser. Und darüber (zumindest an den zwei Tagen, an denen ich da war) ein wunderbarer stahlblauer Sommerhimmel*. Ach, hier lässt es sich leben und erholen. Deshalb sind die Outer Banks inzwischen DIE Touristendestination für Ausländer und die Bewohner der näher gelegenen Ballungszentren in Virginia und North Carolina. Und für alle anderen gibt es Flughäfen.
Ich hatte nur eine Nacht in Manteo, einem kleinen Dorf mittendrin, aber nicht ganz auf den Inseln, und musste zusehen, wie ich die kurze Zeit sinnvoll füllen konnte. Der erste Besuch, gleich nach Ankunft und noch vor dem Hotel, war den Sanddünen von Nags Head gewidmet. Auf rund 1.7 Quadratkilometern liefern sich Sand und Wind ein ewiges Hin und Her. Das heisst, dass der Sand sich eigentlich nicht wirklich wegbewegt, sondern sich mal hier, mal dort zu Dünen aufbaut und im nächsten Jahr (oder Jahrzehnt) wieder ganz woanders befindet. Ein aktives Dünensystem, so wird es bezeichnet. Es ist das einzige dieser Art an der Ostküste Amerikas.
Der State Park, durch den die Regierung dieses Gebiet in ihrer Obhut hat, ist nicht besonders gross und in einer Stunde kann man durch den Sand die schönsten Teile des Parks durchstapfen. Es ist ein bisschen wie Wüste. Aber wenn man oben auf der Düne steht, sieht man auf der einen Seite den Ozean und auf der anderen den Pamlico Sound - und der ist so gross, dass die Küste des Kontinents hinter dem Horizont liegt.
In den Dünen sieht es ein bisschen wie Wüste aus, aber da hinten schimmert schon der Ozean... |
Für den nächsten Morgen entschied ich mich dann für eine frühe Abreise. Das Hotel war nicht so wirklich gut und es gab auch kein "knapp darüber"-continential breakfast. Das nächste Ziel lag etwa auf der Hälfte der der Outer Banks, aber dennoch am südlichsten Ende der Strasse und immerhin vom Hotel etwa 50 Meilen (ca. 80 Kilometer) entfernt. Tatsächlich konnte ich mir den Besuch von Cape Hatteras nicht entgehen lassen. Für die USA-Kenner ist es der berühmte Leuchtturm aus Backstein. Und für die Geografen der am südöstlichst gelegene Punkt des Landes. Weiter südlich und gleichzeitig östlich geht nicht. Dahin musste ich also kommen und die frühe Abreise garantierte mir auch eine angemessen schnelle Durchfahrt. Ausser ein paar anderen Frühaufstehern und den obligatorischen Anglerboot-Anhänger-Autos kam mir nichts in den Weg. So kam ich gerade rechtzeitig zur Öffnung der Rangerstation durch das Hissen der Flagge... Die Leuchtturmbesteigung habe ich mir erspart, denn trotz der Morgenstunde zeigte das Thermometer bereits um die 28 Grad. Stattdessen bin ich noch eine Meile weiter gefahren zum Strand, von dem aus man zu Fuss das Kap erreichen kann. Die Amerikaner machen das natürlich mit dem Auto. Dafür gibt es eine besondere Permission (Genehmigung) und man muss die Hälfte der Luft aus den Reifen ablassen, um überhaupt auf dem Sand fahren zu können. Ich habe das nicht gemacht und bin die ca. 1'500 Meter vom Parkplatz zu Fuss gelaufen, hindurch durch die Angler, die hier alle ihr Equipment auswerfen ("besser, als zu Hause rumzusitzen" Zitat eines derer). Bis hin zum Kap, unter der nun inzwischen doch recht brennenden Sonne. Leider war das eigentliche Kap abgesperrt. Es fehlten noch ca. 300 Meter zur Spitze. Ein anwesender Ranger klärte mich auf und eigentlich hätte ich es selbst wissen können: zur Brutzeit der Seevögel ist dieses Gebiet gesperrt. Keine Ausnahmen. Stattdessen Blick durchs Rangerfernrohr auf die unberührbare Vogelwelt. Und man erkennt dann schon, warum es sinnvoll ist, dass dieses Gebiet zu dieser Jahreszeit für Menschen und deren übermotorisierte Autos) besser nicht zugänglich ist. (fragt mich bitte nicht nach all den Vogelnamen. Der Ranger wusste es...)
Ohne Flagge geht hier gar nichts: 8.55 Uhr Hissen der Flagge / 9.00 Uhr Öffnen des Parks... |
Cape Hatteras Lighthouse |
Das Kap war nicht zugänglich, aber zu sehen: am linken Bildrand geht der Strand ins Meer über. Weiter südlich und gleichzeitig östlich geht nicht in Nordamerika. |
Rückfahrt wiederum etwa 80 Kilometer, unterbrochen durch ein deftiges Frühstück - endlich. In einer "Piratenkneipe" am Wegesrand. Egal, Hauptsache, es gibt ordentlich Essen. Der Kellner wieder mal mit excellenten Deutschkenntnissen und einer deutsch-gebürtigen Mutter, die immer noch in Berlin (West) lebt. So geht das hier ständig und das macht es mir zusätzlich sympathisch.
Schliesslich bin ich dann am zweiten Tagesziel angekommen, auf das sich auch die Kapitelüberschrift bezieht:
Fliegen ist schöner
Das dachten sich schon viele Menschen seit vielen hunderten, wenn nicht tausenden von Jahren. Denken wir nur an Ikarus, den noch Vogelfedern durch die Lüfte getragen haben sollen - bis zum Absturz. Die Franzosen Montgolfière liessen die ersten Heissluftballone steigen. Und der Schneider von Ulm war seiner Zeit fast einhundert Jahre voraus.
Handfester ging es dann allerdings erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu. Otto Lilienthal führte den Flug mit Gleitern öffentlich vor und bezahlte dafür mit seinem Leben. Auf der anderen Seite des grossen Wassers tat sich indessen erstaunliches. Die Erkenntnis und das Ausprobieren ging weg vom einzig den Launen der Natur und ihren Winden überlassenen Flug in Gleitern hin zur kontrollierten Flugbahn mit Motorunterstützung. An mehreren Orten wurde dazu experimentiert und schliesslich ausprobiert. Diejenigen, die letztlich den Ruhm des Erstflugs mit Motorkraft für sich einstreichen konnten, waren die Brüder Wilbur und Orville Wright aus Ohio in den USA. Und damit auch niemand einen gar zu neugierigen Blick auf ihre Aktionen werfen konnte, verlegten sie ihre Experimente auf die Outer Banks, einem damals gottverlassenen dünnen Landstreifen. Heute besucht fast jeder Tourist dieses Denkmal und für die US-Amerikaner ist er so etwas wie ein heiliger Ort, denn wo sonst wurde eine so weltbewegende Erfindung ins Werk gesetzt, als hier?
Man muss sich die Wright-Brüder (in Schwarz-Weiss) vorstellen, wie sie tüftelten, probierten, Geld eintrieben und dann in den rauen Dünen jahrelang und mit eisernem Willen ihre Idee vorantrieben: den motorisierten Flug des Menschen. Was würden sie wohl heute sagen, wenn sie die Worte Loriots hören oder lesen könnten:
"Der Mensch ist das einzige Lebewesen,
das im Fliegen eine warme Mahlzeit zu sich zu nehmen kann."
Wie auch immer, die zwei haben die Welt verändert und hier, in Kitty Hawk, kann man auf dem Streifen Land stehen, wo das ganze tatsächlich stattgefunden hat. Und auch, wenn mehrere inzwischen längst verstorbene Erfinder diesen Ruhm mehr oder weniger gerechtfertigt für sich in Anspruch nehmen, ist es doch etwa besonderes, gerade dieser Stelle einen Besuch abzustatten, denn nur hier entstand das berühmte Foto, welches Wilbur und Orville beim Motorflug auch tatsächlich zeigt.
Das berühmte Foto |
Der Wright Flyer |
Und das Monument. Im schönen 30er-Jahre-Stil |
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* wenn im Herbst die Hurrikane von Süden die Küste hinaufziehen, kann es hier auch ganz, ganz anders zugehen...
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