19 Mai 2019

Inside the Beauty

Nun war ich also zwei volle Tage in Savannah, der Südstaaten-Schönheit, und die Zeit ist rasend schnell vorbeigegangen. Als fotografierender Reisender könnte ich noch weitere Tage hier verbringen und immer wieder durch die Strassen ziehen. Die bestaunenswerten Häuser bieten immer wieder neue Fotomotive und kein Haus gleicht dem anderen. Wirklich keines. Dazu sind die Hauptstrassen mit Virginia-Eichen gesäumt, deren ausladende Äste quer über Strassen und Plätze greifen und das Gitternetz der Strassen quasi in einen Vegetations-Tunnel verwandeln. In dem könnte man tage- und wochenlang umherstreifen.

Das Rathaus

Viktorianischer Stil 

Oder Antebellum-Stil: Architektur aus der Zeit vor dem Sezessionskrieg.
Kathedrale St. John the Baptist - Neugotischer Stil

Es gibt auch noch anderes zu bestaunen. Heute, am zweiten Tag, war ich etwa noch im Prohibitions-Museum, welches sich den Jahren des totalen Alkoholverbotes in den USA (1920-1933) widmet. Gute Idee, das damals. Aber mit der menschlichen Sucht und Kreativität nicht vereinbar. Überall im Lande wurden illegale Distilleries ("Moonshining" - Schwarzbrennen) eröffnet und der Stoff in sogenannten Flüsterkneipen (engl. Speakeasy) verkauft. Darüberhinaus konnte man sich zB. Whisky auch als Medizin verschreiben lassen. Handel und Vertrieb übernahm rasch die organisierte Kriminalität, die dadurch erst so richtig Aufschwung nahm. Al Capone zum Beispiel, kennt jeder. Er sass auch im Gefängnis, aber die Regierung war hinsichtlich des Alkoholverbotes so schwach, dass sie ihn wegen Steuerhinterziehung einbuchten mussten... In Amerika ist alles ein bisschen schräg und das Kapitel der Prohibition ist es besonders. Schliesslich erkannte man das und sogar die einstigen Verfechter des Totalverbotes mussten einsehen, dass es so nicht weiterging. Im komplizierten Verfahren der Verfassungsänderungen in den USA wurde die landesweite Prohibition 1933 wieder abgeschafft. Natürlich nicht ohne Kompromiss: jeder Bundesstaat kann für sich jederzeit neu über ein Alkoholverbot entscheiden und die Bundesstaaten haben dieses Recht auf die Counties (Landkreise) weitergegeben. Und so kommt es, dass zu dem bunten Flickenteppich unterschiedlichster Gesetze noch einer hinzukommt: Wet Countys ("nasse" Landkreise, keine Beschränkung) - Semi-dry-Countys ("halbtrockene" Landkreise, teilweise Beschränkungen) - Dry Countys ("Trockene Landkreise", Alkoholverbot). Interessanterweise stehen einige der besten Whisky-Distilleries des Landes in Dry Countys...

Im Prohibitions-Museum konnte ich nun alles das miterleben. Eben so, wie es ein kleines Museum heute ermöglichen kann. Und das war nicht so schlecht. Am Ende der Ausstellung gab es sogar noch eine kleine Speakeasy-Bar mit echten Drinks (nicht im Preis inbegriffen).

Zwei Trinkbrüder lassen es sich gutgehen...

Kinder schöpfen Whisky aus der Gosse, der gerade weiter oben aus Fässern abgelassen wird.

Eng mit dem Alkoholverbot bzw. dessen Vorgeschichte verbunden ist das Bierbrauen. Einwanderer aus Europa, vornehmlich aus Deutschland, brachten diese Kunst in die Neue Welt und die Eisenbahn sorgte dafür, dass bald das ganze Land mit Bier versorgt werden konnte und unzählige Brauereien entstanden. Mit der Prohibition ging diese schöne Tradition den Bach runter, genau wie das Bier, als die Fässer zerschlagen wurden. Nur die allergrössten Betriebe konnten sich über die Zeit retten und dominierten nach 1933 lange den Markt. Doch auch das hat sich sehr zum Positiven geändert: erneut entstehen in den ganzen USA Kleinbrauereien, die den Konzernen Kunden abjagen und die ganz hervorragende Biere produzieren. Craft Beer ist voll im Trend und es gibt praktisch keine Kneipe mehr, die keines anbietet. Es gibt sogar Pubs, die ausdrücklich keine "verwässerten" Sorten verkaufen. Schöne neue Bierwelt. Das - und darauf wollte ich hinaus - ist auch in Savannah angekommen. Somit war es ein Genuss, tagsüber die Stadt zu durchstreifen und abends wunderbar Bier zu verkosten. Praktisch an jeder Ecke ist das möglich.

Am Vortag habe ich noch ein anderes Museum besucht, das Eisenbahnmuseum. Savannah hatte zur Hochzeit der Eisenbahn ein Depot mit über 600 Arbeitern, die hier die Dampflokomotiven warteten und reparierten. Vom Glanz dieser alten Zeit ist nicht mehr viel übrig, denn der Niedergang begann mit dem Einsatz von Diesellokomotiven. Dafür war das Depot nicht geeignet. So verkam alles im Laufe der Jahrzehnte, bis aus privater Initiative das Museum eröffnet wurde. Heute stehen ein paar Dampfloks, ein paar Dieselloks im Roundhouse, und wenn man zwischen den herumläuft, spürt man die Bedeutung des Wortes "Eisen". Das war Eisenbahn, nicht solche Plastikzüge, wie wir sie heute haben.
Im Eintrittspreis inbegriffen ist eine Eisenbahnfahrt auf dem Museumsgelände. Wer sich jetzt aber einen Rundkurs oder sowas vorstellt, muss leider enttäuscht werden. Immerhin funktioniert die Drehscheibe ("turntable") und der Zug mit einer Diesellok und einem Wagen wird erstmal auf ein Gleis geschoben, dann geht es 50 Meter raus ins Gelände, zurück zur Drehscheibe. Ein bisschen Rumpeln und wieder geht es 50 Meter auf dem Nachbargleis. Immerhin in eine der grossen ehemaligen Werkshallen. Es ist interessant, aber so ein privater Verein hat eben leider nur beschränkte Mittel und überhaupt ist von der vielen Eisenbahninfrastruktur nicht viel übriggeblieben, ausser diese paar Gleismeter.

Der Museumszug wird bereitgestellt.

Hier wird der Wortsinn von Eisen und Bahn nochmal spürbar.

Arbeitsplatz-Traum kleiner und grosser Jungs: ganz oben auf der Lok...

Morgen ist leider schon wieder Abreise. Dazu habe ich mich entschieden, nun auch noch der anderen "schönsten Stadt der USA" einen Besuch abzustatten: Charleston in South Carolina.




Unter diesem Blätterdach lässt es sich aushalten.


Diese Schönheit muss erst noch geweckt werden.


Lustig ging es erst nach der Prohibition wieder zu...

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