30 Mai 2019

Auf der Suche nach der Stadt

Wo war ich eigentlich stehen geblieben mit den Reisereporten? Stimmt, bei den fliegenden Gebrüdern Wright auf den Outer Banks.

Inzwischen ist wieder Zeit - und auch Wegstrecke - vergangen. Nach dem Besuch bei den Wrights führte die Strecke hinauf nach Hampton, einer Stadt in Virginia, an den sogenannten Hampton Roads. Diese sind, wie der Name wenig vermuten lässt, eine Wasserstrasse, bestehend aus mehreren grossen Flüssen, die sich hier versammeln und in den Atlantik münden. Die Wasserstrasse ist sowohl wirtschaftlich als auch politisch-militärisch-strategisch von grösster Bedeutung. Nicht umsonst befindet sich ganz in der Nähe in Norfolk das Hauptquartier der US-Atlantikflotte; der grösste Marinestützpunkt der Welt ist. Praktisch die ganze Stadt Norfolk hängt am Militär, das überhaupt im ganzen Land eine seltsam unwirkliche Präsenz hat. Alles ist irgendwie militarisiert und auch, wenn es manchmal gerade nicht danach aussieht, lugt plötzlich wieder etwas davon hervor, ob im Kindermuseum, im Andenkenladen, im Hotel... man kommt nicht daran vorbei.
Norfolk habe ich nicht direkt besucht, nur auf der Interstate gestreift. Dennoch war der Marinestützpunkt auf der anderen Seite der Bucht zu sehen. Drei Flugzeugträger waren gerade da und in der Schiffswerft im benachbarten Newport News lag ein weiterer.
Man hätte den Marinestützpunkt auch als Tourist besuchen können: Pass vorweisen, in einen Bus einsteigen und eine Rundfahrt machen. Aber aus diesen Ferien bin ich momentan herausgewachsen.

Stattdessen gab es eine Übernachtung in Hampton und für den nächsten Tag stand die Fahrt nach Richmond, der Hauptstadt Virginias auf dem Programm. Weil die Strassenetappe nicht so lang war, bot sich ein weiteres Zwischenziel an. Ich fand dieses in Form des Keystone-Traktormuseum in Petersburg. In zwei Werkhallen, 1,5 mal so gross wie ein Fussballfeld, findet sich alles, was der old-school-Bauer als Zugmaschine so brauchen konnte. Schön, wie einfach die Dinge früher waren: viel mehr als einen Schlüssel und einen Lenker und ein- zwei Hebel brauchte es Mitte des vorigen Jahrhunderts nicht. Später kam ein Getriebe, eine Zapfwelle, eine Dreipunktaufhängung und eine Unmenge an Rundinstrumenten im Cockpit hinzu - der Beruf des Hightech-Farmers hat einen langen Weg hinter sich...
Einige der Trecker sind stolze Träger von Preisen von irgendwelchen Liebhabertreffen und ich nehme an, dass viele der Exemplare hier noch funktionieren. Jedenfalls: die Zündschlüssel steckten im Schloss. Schade, dass im Museum der Sound der Motoren nicht "mitkommt".

Die gute alte Zeit...

Da war das Farmerleben noch einfach.

Später kamen all diese Rundinstrumente... und vor allem diese Gangschaltung...

Multifunktional: tagsüber auf dem Acker, abends ins Städtchen.

Ford Thunderbird

Truck-Parade

Nach den Treckern kam Richmond, die Hauptstadt von Virginia. Und wenn die Trecker im Museum im Winterschlaf waren, so muss man leider feststellen, dass Richmond mit seinen immerhin knapp über 220 Tausend Einwohnern ziemlich gestorben war. Vielleicht lag es am bevorstehenden Feiertag, vielleicht aber auch an der typisch amerikanischen Ödnis einer Downtown, zumal an einem sehr warmen Frühsommertag. Bereits am Sonntag Abend, also vor dem Memorial-Day-Feiertag musste ich feststellen, dass einige der Kneipen, Gaststätten, Lokale im Umfeld des Hotels geschlossen hatten und von diesen einige auch nie wieder aufmachen würden. Am Montag dann begab ich mich auf den Weg in die Stadt. Hier das gleiche Bild: ausgestorbene Strassen, abgeschlossene Kirchentüren, geschlossene Cafés und Restaurants. Nur auf der Monument Avenue, immerhin ein Landesdenkmal ob seiner Prachtvillen rechts und links, kam gelegentlich mal ein Auto oder ein Jogger vorbei. Also entweder sind die Leute alle wegen des Memorial Day raus ins Grüne, an den Beach oder sie haben bis in die Puppen ausgeschlafen oder es ist hier jeden Tag so still. Keine Ahnung. Immerhin: im Virginia Science Museum herrschte etwas Betrieb. Eigentlich ist es kein Museum, sondern ein wissenschaftlich untermalter Vergnügungspark, hauptsächlich für Kinder. Anhand einfacher Erklärungen, Bilder und Experimente zum Selber Ausprobieren werden die Geheimnisse der Welt erklärt. Nicht schlecht gemacht, das Ganze. Einfach, verständlich, aber eben doch eher in der Art eines Vergnügungsparks als eines Museums. So ähnlich, wie das Aquarium in Atlanta.

Südstaatenarchitektur



Robert E. Lee, legendärer Südstaatengeneral

Auf dem Rückweg zum Hotel, wie auch auf dem Hinweg bereits, kommt man am Denkmal für den Südstaaten-General Robert E. Lee vorbei. Vielleicht mag sich der eine oder die andere daran erinnern, wie heiss die Debatte um die Konföderierten-Flagge vor einiger Zeit geführt wurde. Hier, im Süden, stehen, abgesehen von den Flaggen, die Helden des Sezessions-Krieges ganz selbstverständlich auf den Podesten. Robert E. Lee geniesst dabei einen besonderen Verehrungs-status und für ihn wird gleiches Recht wie für Abraham Lincoln eingefordert, der als US-Präsident die USA und während des Bürgerkrieges, die Nordstaaten geführt hat. Einen Block weiter oben steht des Denkmal für Jefferson Davis, den ersten und einzigen Präsidenten des Südens, der dieses Staatengebilde führte, das nie von einer ausländischen Macht anerkannt war und hier in Richmond sein Weisses Haus hatte. nur wenig mehr als hundert Meilen von der US-Hauptstadt Washington entfernt. Aber warum nur das alles? Und warum besteht die Teilung faktisch bis heute? Die Historie ist lang und kompliziert. In der Schule haben wir gelernt, dass es um die Sklaverei ging, die der Norden ablehnte und der Süden nicht. Der Hintergrund: für seine personalintensive Plantagen-Wirtschaft und damit seinem Wohlstand benötigte das Land viele und billige Arbeiter Doch ganz so einfach war es nicht. Die Bevölkerung des Nordens wuchs stark an, eine Mittelschicht und eine Arbeiterschicht entstand, die von einem guten Schulsystem gut ausgebildet wurde. Im Süden hingegen blieb alles beim Alten: eine kleine, reiche Oberschicht besass die Plantagen und liess die Sklaven schuften, die keinerlei Rechte besassen. Mit Abraham Lincoln kam nun erstmals ein US-Präsident ganz ohne Unterstützung des Südens ins Amt. Damit und mit der Frage, wie künftig in den zu erwartenden Beitrittsstaaten verfahren werden soll, begannen die Zwistigkeiten zwischen Nord und Süd. Und trotz Krieg, Sezession und Reconstruction unterscheiden sich die Kulturen von Nord und Süd in den USA bis heute ganz grundsätzlich. Essen, Gewohnheiten, Politik, Sprache...

Sehenswert in Richmond ist auf jeden Fall auch noch das Capitol von Virginia. Wie in den meisten anderen Bundesstaaten ist es auch hier ein repräsentatives Gebäude (auf einem Hügel), streng unterteilt in Abgeordnetenhaus (House of Representatives) und Senat. Das Gebäude wurde vor nicht all zu langer Zeit einer Komplett-Über-Sanierung unterzogen, deshalb wirkt es im Inneren leicht un-alt. Ein Besuch lohnt sich aber allemal, zumal die älteren Herrschaften an der Eingangskontrolle ihren Job mit einer beruhigend-südstaatlichen Gelassenheit verrichten. Rucksack scannen? Ja, natürlich. Aber bitte keinen Stress bei der Wärme da draussen...

Virginia State Capitol

Sitzungssaal des Senats

George Washington in der Rotunde

Der Nachbarbundesstaat Maryland gehört eigentlich auch zu den Südstaaten, konnte im Bürgerkrieg aber nicht überzeugt werden, die Seiten zu wechseln. Seine Geschichte reicht, wie die an der ganzen Ostküste weit zurück und die Städte und ihre Häuser zeugen sehr schön davon. Maryland berührt den Ostküsten-Reisenden auf jeden Fall auf die eine oder andere Weise. Nach meinem Aufenthalt in Richmond wollte ich unbedingt noch ein weiteres State Capitol meiner Liste hinzufügen. Also ging es am Memorial Day nach Annapolis, der kleinen, hübschen Hauptstadt. Sie besteht aus Bachsteinhäusern, einem Backstein-Capitol und gepflasterten Strassen. Im State House, wie es hier heisst, verfolgt einen auch wieder die Geschichte, diesmal die aus der Zeit der Anfänge und Gründerväter. Annapolis war einst die Hauptstadt der Vereinigten Staaten. Das Ende des Unabhängigkeitskrieges gegen England wurde hier besiegelt und im State House überreichte George Washington anschliessend sein Rücktrittsgesuch als General, um wieder Zivilbürger zu werden. Später wurde er der erste Präsident des Landes und ein anfangs 10 mal 10 Meilen grosses Sumpfgebiet trug und trägt bis heute seinen Namen...

Maryland State House

George Washington übergibt seine Rücktrittserklärung als General.
Später wird er Präsident der Vereinigten Staaten.

Abgeordnetenhaus von Maryland

Ehemaliges Schatzamt...
Dieses Gebiet ist mein nächstes Ziel: die Hauptstadt Washington im District of Columbia.

Noch ein paar Eindrücke von der Suche nach der Stadt:

Stadt 1

Stadt 2

Keine Kommentare: