Schon wieder ist eine Station auf dem 2019er Roadtrip fast Vergangenheit: Wilmington in North Carolina. Vergangenheit ist auch das, was das Städtchen überhaupt bewegt. Vergangenheit bzw. die Geschichte.
Wie Savannah und Charleston liegt auch Wilmington an der Atlantikküste und ist seit langem Siedlungsort der eingewanderten Europäer. Eisenbahn und Dampfschiffahrt machten die Stadt zu einem wichtigen Hafenstandort und entsprechend wuchs die Bevölkerung und damit auch eine reiche Oberschicht. Deren Häuser kann man heute noch in der ganzen historischen Innenstadt bestaunen. Wenn sie auch nicht so
bonfortionös sind, wie diejenigen in Savannah oder Charleston, so zeugen sie dennoch vom Reichtum und Wohlstand der Bürger. Die sind auch nicht alle so bedeutend geworden. In Charleston waren es noch Bundesrichter, hier sind es Gouverneure oder Fabrikbesitzer. Trotzdem: seit den 70er Jahren kümmert sich die Gemeinde liebevoll um die Geschichte und Bausubstanz und damit um diese wunderschönen Häuser.
In einem dieser bin ich für meine Zeit hier untergekommen. Es ist zwar nicht ganz meine Preisvorstellung gewesen, aber die privaten Bed&Breakfast-Pensionen der gehoben Klasse haben es schon qualitativ in sich und es macht grossen Spass, im Zimmer
"Bellevue" (oder im
"Masters Bedroom" in Savannah) zu schlafen. Das Haus hier in Wilmington ist eine herrschaftliche Stadtvilla, die von einem Paar aus dem Nordosten vor über 20 Jahren erworben und zu einer wunderschönen Pension hergerichtet wurde. Die Zimmer sind im Stil der Erbauungszeit (1906) möbliert und an jedem Abend gibt es Social Time für die Gäste, wenn sie denn kommen.
Im Parlor (Salon) liegt ein Fotoalbum mit Fotos aus der Zeit vor der Sanierung. Da kann man nur sagen: okay, hier wurde das Geld wirklich schick und stilvoll angelegt. Und das Morgenessen wird vom Eigentümer persönlich serviert, während seine Frau in der Küche werkelt.
Das Ganze hat für die Gäste natürlich einen/seinen etwas erhöhten Preis, aber nun ja, was soll's... Dafür kommen entsprechend auch nur Gäste, die dieses Ambiente wollen: ältere Herrschaften, mittelalte Paare auf Hochzeitsjubiläumsreise, Software-Ingenieure mit Gattin etc. Es ist schon ein bisschen crazy, aber wenn ich wählen sollte zwischen
chain hotel oder dieser Pension... nun ja, die Wahl ist schnell getroffen.
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Die Hotellobby... |
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The Parlor - der Salon. Hier gibt es jeden Tag von 6 - 7 Uhr Wein und Social Time |
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Es schläft sich ganz gut hier... |
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Da geht's rein. |
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Herrschaftliches Morgenessen. |
Drei Übernachtungen bedeuteten 2 volle Tage für Sightseeing und Rumhängen, das muss ich mal so sagen. Der historische Stadtbezirk lässt sich an einem Vormittag erlaufen und leider waren praktisch alle Kirchen zugeschlossen. Am unteren Ende der Stadt gibt es stattdessen das
Museum of the Bizarre, so eine Art Kuriositätenkabinett mit "alles garantiert echten Stücken! Tritt ein, wenn du dich traust." Sich trauen kostete erstmal 3 Dollar Eintritt. Und dann... naja, die ganzen allerechtesten Exponate lösten doch einiges Stirnrunzeln bei mir aus. Man kann es leider nicht überprüfen, ob die Meerjungfrau aus South Carolina oder das Einhorn-Horn aus der Türkei echt sind (Anfassen verboten, Knipsen auch). Schön sind die alten technischen Spielereien, wie die Automaten oder die alten Schilder usw. Aber ansonsten - leider - bestand die Ausstellung doch eigentlich im Wesentlichen aus Monstern, Dämonen, Geistern, eingemachten Tier-Organen und derlei Unsinn, untermalt von den entsprechenden Geräuschen. Okay, es hat nur die drei Dollar Eintritt gekostet, dafür war es in Ordnung.
Auf der anderen Seite des Flusses liegt ein anderes Highlight der Stadt: die
USS North Carolina. Ausgemustertes Schlachtschiff aus dem Pazifik-Krieg (7. Dezember 1941 - 2. September 1945) und heute Museumsschiff, gerettet und 1960 einer Stiftung kurz vor der Verschrottung übergeben, lässt sich heute hier das Leben und die Fährnisse an Bord eines Kriegsschiffes im Einsatz ein wenig nachvollziehen: 2'300 Mann (alles Männer) auf einer schwimmenden Festung, die einerseits Machtdemonstration par excellence war, andererseits Ziel feindlicher U-Boote, Flugzeuge, anderer Schiffe. Solange die See ruhig war, mag das vielleicht noch lustig gewesen sein. Schlafen im Schichtsystem: 3 Mann pro Bett -
hot bunking -, über den Drehmaschinen in der Werkstatt oder über den Kartoffeln in der Küche. Allerdings im Falle eines Kriegseinsatzes, mit all der Enge, Lärm, Gefahren und Bedrohung... ich möchte nicht dabeigewesen sein und die Leute auf dem Schiff hatten keine Wahl.
Ansonsten ist so ein Schiff eine kleine Stadt für sich, mit Postamt, Zahnarzt, Wäscherei, Restaurant, Laden, Kino usw. Allen Annehmlichkeiten eben, die es braucht, um 2'300 Männer bei Laune zu halten.
Der Rundgang wird mit etwa 2-2,5 Stunden Dauer angegeben Ich habe über vier Stunden benötigt, denn natürlich wollte ich mir nichts entgehen lassen und bin vom obersten möglichen Punkt (das Ruderhaus) bis ganz tief hinunter in den Maschinenraum geklettert. Alles ist sehr schön mit Treppen und Handläufen etc. ausgestattet. Zur Zeit des aktiven Einsatzes gab es das alles nicht, da gab es nur Leitern und Stiegen und es musste alles sehr viel schneller und eleganter rauf und runter gehen als heute, wenn die dicken Touristen sich durch den Schiffsbauch quälen. Dafür gab es damals auch ein striktes Fotografierverbot und vielleicht ging es deswegen alles viel schneller und eleganter. Heute holt sich jeder Tourist Beulen und blaue Flecken am Schienenbein, Knie, Kopf und sonstwo noch.
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Im Inneren des Geschützturmes |
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Schiffsküche. 1'200 (etwa die Hälfte) mussten hier bekocht werden. |
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Gemeinschaftsbadezimmer |
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Der Feuerleit-Computer: von 9 bis 12 geöffnet... |
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Das Pulverlager |
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Ruderhaus |
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Nochmal die USS North Carolina - Heavy Metal.
Was für ein Ressourcenverbrauch... |
Wilmington muss ich morgen hinter mir lassen und meine Route weiter gen Norden absolvieren. Beim Planen der nächsten Stationen musste ich feststellen, dass ich mitten in einen wichtigen Feiertagstrubel reinkommen werde und entsprechend sind die Hotels voll und die Preise nochmal nach oben gegangen. Am Montag, den 27. Mai, ist
Memorial Day. Neben seiner Funktion als Gedenktag für die Kriegsgefallenen markiert er ausserdem den Beginn der Sommersaison. Und dieses nutzen Millionen, um ein verlängertes Wochenende irgendwo, wo es schön ist, zu verbringen. Also genau da, wo ich auch gerade bin...
In Anbetracht der somit rapide schwindenden Übernachtungsoptionen habe ich daher meinen Roadtrip bis zum Ende durchgeplant und gebucht. Morgen geht es weiter nach Kitty Hawk auf den Outer Banks.
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