Etwa 60 Meilen nördlich von Flagstaff, meinem letzten Quartier, liegt nun einer der größten Nationalparks und mit Sicherheit auch eines der bekanntesten Naturschauspiele. Wenn immer von Amerikas Naturwundern die Rede ist, wird er genannt: der Grand Canyon. Vor der Abfahrt habe ich mich beim Frühstück im Hotel noch mit Leuten unterhalten, die meinten, der Grand Canyon ist ja eigentlich gar nichts besonderes, "wir sind diesmal dran vorbeigefahren". "It is just a big hole in the ground"... naja, die Einheimischen, die haben leicht reden. Aber tatsächlich wurde der Grand Canyon in der Zeit der Besiedelung des Westens durch die Neuankömmlinge als Hindernis gesehen: er ist riesengroß, so groß, dass man sich das gar nicht vorstellen kann als Mitteleuropäer. Seine Wände fallen steil ab in die Tiefe und bis zum Grundgestein, über den der Colorado Ricer fließt, sind es mitunter 1.600 Meter Höhenunterschied. Von oben nach unten sind durch die Millionen Jahre harter Erosionsarbeit des Flusses und von Wind und Wetter alle geologischen Schichten zu bestaunen, die hier in den letzten 1,8 Milliarden Jahren abgelagert wurden. Die ältesten sind natürlich nur ganz unten zu finden, der Tourist müßte sich schon die Mühe machen, in den Canyon hinabzusteigen - oder sich hinfliegen zu lassen. Das ist heute alles möglich. Bevor jedoch die Touristen kamen, waren die Siedler aus Europa da und trafen auf die hier schon wesentlich länger beheimateten amerikanischen Ureinwohner - native Americans, oder wie ich sagen würde: Indianer. Die touristische Nutzung begann erst mit Errichtung des National Monuments im Jahre 1908 bzw. der Erhebung in den Status eines Nationalparks 1919. Seit 1979 ist der Grand Canyon auch noch UNESCO-Weltnaturerbe. (Das alles steht im Wikipedia-Artikel.)
Der heutige Tourist - also so einer wie ich - hat es wirklich einfach. Wenn er sich erstmal zwischen den beiden Optionen South Rim oder North Rim entschieden hat, braucht er nur noch der Straßenausschilderung zu folgen. Der South Rim ist das bevorzugte Ziel der Mehrheit und auch besser erschlossen, dafür auch umso mehr überlaufen. Immerhin gibt es unzählige Aussichtsspunkte, einen befestigten Rim Trail (Wanderweg) und alles, was der Mensch heute noch braucht (angefangen von Netzverbindung fürs iPhone bis hin zur Toilette...). Geboten werden ihm dafür aber auch fantastische Blicke über die Canyon-Landschaft, die sich unendlich weit in den Horizont erstreckt und nach unten gelegentlich die Sicht auf den Colorado River freigibt. Natürlich hört man diesen hier oben nicht rauschen - für alle, die sich die Frage gerade stellten. Überhaupt ist es schwer vorstellbar, am Canyon-Rand zu stehen und die 1.500 Meter bis zum Grund runterzuschauen. Das ist ein Erlebnis, dass jeder Amerika-Reisende aufsuchen sollte. Und dazu braucht es auch keinen Skywalk. Der Blick aus den Fenstern des Yavapai Observatory geht zwar nicht durch den Fußboden, dafür ist er sicher genauso spektakulär, genau wie die unzähligen anderen Möglichkeiten, sich ohne Geländer direkt über den Abgrund zu begeben. Und da gibt es tatsächlich Leute, die sich daraus einen Fotospaß machen. Mir wird dabei heiß und kalt: ein Windstoß und es ginge abwärts. Also für mich ist das nichts, deshalb bin ich immer schön am Weg geblieben bzw. dort am Rand, wo auch ein Geländer dran war.
Für den Grand Canyon habe ich einen ganzen Tag genutzt, aber bei dessen gewaltiger Größe reicht das nicht aus. Empfohlen werden zusätzlich noch Rafting-Touren: mit Schlauchbooten auf dem Fluß ganz unten, Hubschrauberrundflüge oder das Wandern auf einem der zahlreichen trails von ganz oben nach ganz unten. Vorausgesetzt, man hat gerade die richtige Ausrüstung dabei, denn mit Badeschlappen (ja, sowas haben die Leute hier an bei ihrem Besuch) geht das nicht gut. Ich merke mir das fürs nächste Mal vor, vielleicht den Rundflug...
Nach dem Canyon ging es für mich auf dem South Rim Highway ab in Richtung Page, Arizona, unterbrochen von unzähligen Stopps an den Aussichtspunkten, dann wieder rein in die Wüste, die heute tatsächlich so etwas wie einen kleinen, ganz kleinen, Sandsturm zu bieten hatte. Jeder kennt das vielleicht aus dem mitteleuropäischen Winter, wenn der Wind die Schneewehen vor sich hertreiben. So war es heute auch in der Wüste, bloß dass der Sand noch kräftig am Lack des Mietwagens geschmiergelt hat.
Bereits in der Nähe von Page ging es dann nochmal hinauf ins Gebirge und durch eine märchenhaft sonnenbeleuchtete rote Felslandschaft unter strahlendem blau-blauweißem Himmel. Mit diesem Wetter wollte ich auch noch zum Horseshoe Bend, dem berühmten Mäander des Colorado River, aber dann habe ich die Wegkreuzung verpaßt und überhaupt ist es von der Beleuchtung her wohl eher besser, diesen Ort am Morgen zu besuchen. Also dann...
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