30 August 2018

Am Ende der Pilgerfahrt

Allen Lesern und Freunden, Bekannten und Familie, die mich immer mal wieder gefragt haben, ob ich jetzt zum Buddhisten werde, sei gesagt, dass das nicht der Fall ist. Dennoch fühlte ich mich gestern wie ein buddhistischer Pilger, der nach einer Reise von Tempel zu Tempel, von der Mahamuni-Pagode in Mandalay über die Tempel von Bagan und bis zum Golden Rock nun am Ziel der Wallfahrt angekommen ist: im religiösen Zentrum der Buddhisten von Myanmar, der Shwedagon-Pagode in Yangon.

Wie oft hört man den einen oder anderen geografischen Begriff und speichert sich das dann im Kopf ab ohne dran zu denken, mal vor Ort sein zu dürfen. So jedenfalls ging - geht - es mir auch in diesem Fall. Ich weiss nicht mehr genau, wann ich zum ersten Mal den Namen Shwedagon gehört habe, aber es sollte so in den Achtziger Jahren gewesen sein (bei uns im Haus gab es schon zu finstersten DDR-Zeiten grössere Mengen PM-Magazine, die jemand aus dem Westen mitgebracht hat, vielleicht stand da mal eine Geschichte drin). Und ich hatte auch immer das Bild des Stupa vor Augen, goldbedeckt und bekrönt mit dem Hti - wie die oberste Verzierung auf dem Stupa genannt wird.
Was für ein erhebendes Gefühl es ist, nun endlich hier zu stehen, vor dem echten Gold und den echten, klingenden Glöckchen, das kann nur der Pilger erfühlen.

Um so schöner ist es, dass ich diesmal auch das "richtige" Hotel gewählt habe und mich überwinden konnte, etwas mehr Geld auszugeben. Von meinem Zimmer im 20. Stock habe ich einen direkten Blick auf die Pagode und die ganze nördliche und westliche Stadt Yangon. Was für eine Aussicht!

Zu den allgemeinen Formalitäten des Stadtbesuches gehört die Fortbewegung. Am gestrigen ersten Tag hatte ich mich entschieden, den Weg vom Hotel zur Shwedagon zu Fuss zurückzulegen, denn es sind nur etwa 1,5 Kilometer. Ich hätte auch ein Tuk Tuk gemietet, aber die gibt es überraschenderweise in Yangon nicht, genauso wie es keine Motorräder gibt. Die Regierung hat sie allesamt aus dem Stadtbild verbannt, wahrscheinlich, um etwas mehr Modernität zur Schau zu stellen. Eines der zahlreichen Taxis herbeizuwinken, erschien mir zu diesem Zeitpunkt noch etwas zu dekadent, jedoch hätte ich es tun sollen. Die stechende Sonne und ein blauweisser Himmel am Vormittag liessen die Temperatur schnell auf schwülwarme 30 Grad klettern. Einmal die Strasse rauf und man ist schon am frühen Morgen durchgeschwitzt.
In der grossen Anlage des Tempels selbst herrschte reger Besucherverkehr, wenn auch nicht gerade eine Überfüllung. Es ist zum Glück Nebensaison und so konnte ich in aller Ruhe meinen Besuch dort geniessen. Obwohl noch ein paar Tage in Yangon und dann noch in Bangkok bevorstehen, war es doch so etwas wie das Ziel der Reise. Und so habe ich es dann auch auf mich wirken lassen.

Ziel der Reise: die Shwedagon-Pagode





Die Heilige Familie?

Nach einer gewissen Zeit musste ich dann aber doch wieder ins Hotel zurück. Diesmal aber mit dem Taxi. Für ca. 2 Dollar und nach 20 Minuten konnte ich die nassen Sachen abstreifen. Was aber nun? Vorziehen von ein paar anderen Programmpunkten. Der Markt gegenüber dem Hotel und die katholische St. Mary's Cathedral wollte ich mir nicht entgehen lassen. Der Markt war eine Enttäuschung. Praktisch gab es nur Touristenkram. Von der zweiten Etage jedoch konnte ich gut in die Gassen des gegenüberliegenden Quartiers reinschauen. Das war Chinatown und da musste ich noch hin. Zunächst aber erstmal wieder ein Taxi anhalten und die kurze Strecke zur Kathedrale, von der ich dachte, sie wäre anglikanisch. Aber es war schnell klar, dass hier Rom das Sagen hat und das ist der vollkommene Kontrast zum alles beherrschenden Buddhismus im Lande. Immerhin gibt es einen Erzbischof und tägliche Messen in englischer und birmanischer Sprache, wie die Anzeigetafeln verkünden. Als ich dort war, spuckte ein Reisebus gerade eine chinesische Gruppe aus, die sich einigermassen geräuschvoll in der Kirche verteilten. Zum Glück eine Reisegruppe, denn die werden pünktlich nach 15 Minuten vom Reiseleiter zurück zum Bus beordert, so dass es für mich noch ruhige Gelegenheiten zum Fotografieren gab.
In Chinatown tobte dann das lokale Leben auf den Gassen und in den Geschäften. Garküchen am Strassenrand, Nähmaschinen-Stände auf dem Trottoir, Werkzeugläden, Werkstätten, die stapelweise Computerplatinen vor der Türe liegen haben, die dann auseinander genommen werden zur Rohstoffwiederewinnung. Und unzählige Menschen die in alle Richtungen unterwegs sind. Irgendwann fiel mir die Zeile aus Goethes "Osterspaziergang" ein: "aus der Strassen quetschender Enge..." So ist es hier.


Chinatown

Nähstube. Hier wird alles repariert...

... der Maschinenpark dafür ist vorhanden.

Ganz im Gegensatz dazu die Shopping Mall, die direkt an mein Hotel grenzt und zum gleichen Gebäudekomplex gehört. Fünf Etagen Wahnsinn, der auf's Gemüt schlägt, wenn man vorher zwei Wochen lang in der Provinz unterwegs war. Alle Läden, die wir in Europa haben, die haben sie hier auch, und die Oberschicht ist fleissig am Einkaufen. Und wer wollte es ihnen auch verdenken? Wir haben das bei uns und die Myanmarer wollen das nach den Jahrzehnten des Stillstandes, der Abschottung und der Militärdiktatur nun auch bei sich haben.


Katholische St. Mary's Cathedral

Die etwas andere Kathedrale - oder Pagode. 

Bereits während des ersten Besuchs der Shwedagon-Pagode hatte ich mir einen Zweitbesuch am nächsten Morgen vorgenommen und dies ist inzwischen auch passiert. Nochmal reichlich Einatmen der ganz besonderen Atmosphäre auf dem Platz und dem Bimmeln der Glöckchen lauschen und neue Foto-Motive finden.
Morgen, am Freitag, werde ich noch ein wenig die Altstadt von Rangun, so wie die Stadt von der britischen Kolonialverwaltung genannt wurde, erkunden. Dann geht es am Samstag nachmittag zurück nach Bangkok. Der eine oder andere Bericht wird hier noch folgen, also bleibt weiterhin meine Leser. Ich geniesse die restliche Zeit in Asien.


Die Shwedagon-Pagode vom Hotelzimmer aus gesehen.
Gerade wälzt sich wieder eine Regenwolke über die Millionenstadt Yangon.



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