27 August 2018

Fremdenverkehr erwünscht - Strassenverkehr auch?

Wieder sind ein paar beitragsfreie Tage vergangen, die ich jetzt aufholen möchte. Die Zeit läuft und auch die "gefressenen" Kilometer haben sich gefühlt verdoppelt, obwohl ich ja gar nicht selbst fahre. Den Job erledigt Jo Jo, mein Fahrer, während ich - immerhin auf der richtigen, der linken Seite in seinem Rechtslenker-Toyota - sitze.

Ich hatte mich entschlossen, nach dem Aufenthalt am Inle-See gleich nach Süden weiterzureisen. Vielleicht hat Jo Jo das nicht ganz gefallen, denn er verwies mehrfach auf die 10-Stunden-Autofahrt bis knapp vor Rangun, der alten Hauptstadt Burmas. Ich dachte, ich wüsste es besser und die Karte sagte ca. 550 Kilometer Strecke voraus, aber letztendlich waren es vom Inle-See bis nach Bago, einem Vorort etwa 30 Kilometer vor Rangun genau 10 Stunden Autofahrt. Mit Pausen und mit gefühlt 20 Monsunregenfronten, die unerbittlich unzählige Liter Wasser über unser Auto und über die Strasse schütteten. Am Morgen und bis nach dem Mittag ging es noch gut. In den Bergen scheint es mit dem Regen nicht so extrem zu sein. Dafür sind hier die Strassenverhältnisse etwas anders, als es unser weicher mitteleuropäischer Hintern gewohnt ist. Von Nyaung Shwe, der Hauptstadt am Inle-See sind es über die Passstrasse, d.h durch das Gebirge, bis zum Mandalay-Yangon-Expressway ca. 240 Kilometer, für die alleine etwa 5 Stunden Fahrzeit zu planen sind. Unzählige Serpentinen hinauf und hinab über eine Strasse, die sich wahrscheinlich ständig im Bau befindet. Zur Zeit werden die Berge abgetragen, um offenbar die Strasse vierspurig auszubauen. Schon jetzt brausen Pkw, Busse, Lkw, Motorräder mit unglaublicher - unfassbarer - Geschwindigkeit die löchrige und ggf. staubige Strasse hinab, kurven um Bagger herum (die die Berge wegbaggern) und überholen auf der dritten Spur, sprich auf dem Bankett, der bereits freigemachten, aber nicht befestigten Fläche oder notfalls auch auf der geteerten zweispurigen Strassen. Mein Fahrer Jo Jo hätte in Deutschland schon nach 15 Minuten sein Punktekonto in Flensburg voll... Andererseits: es machen alle so und da jeder weiss, dass alle es so machen, ist die Vorsicht und vorausschauende Fahrweise wohl etwas anders ausgeprägt, als in Mitteleuropa.
Auf dem Expressway dann herrschte Ruhe und Ordnung. 80 oder 100 km/h waren zulässig und werden von der Polizei überwacht. Diese Strasse ist schliesslich das Vorzeigeprojekt hinsichtlich der Verkehrspolitik und wurde erst vor wenigen Jahren fertiggestellt. Mit Chinas Hilfe quer durchs Land bis an den Indischen Ozean. Viele kritische Stimmen verweisen darauf, dass die dreispurige Strasse nicht nur für Pkw und Trucks ausgelegt, sondern auch panzertauglich ist, damit bei Bedarf, oder wenn die Führung in Peking es für notwendig hält, der Weg bis an den Ozean frei ist...


Öffentlicher Personennahverkehr...

Weg mit dem Berg, wenn die Strasse mal vierspurig werden soll...

Kritik am Strassenausbau hin oder her: Tatsache ist, dass Myanmar eine schnell wachsende Wirtschaft hat und im Tourismus ein riesengrosses Potential steckt. Dieser Schatz kann nur gehoben werden, wenn die nötige Infrastruktur bereitsteht. Und da ist der Strassenbau nun mal das Mittel der Wahl, der Eisenbahnen durchs Land ziehen dauert lange. Und ausserdem: generell ist der Individualverkehr viel prestigeträchtiger für die Einzelperson, denn der übers das Land brausende, erfolgreiche Bürger wird nur im Auto gesehen. Nicht in der Eisenbahn...

Nach 10 Stunden sind wir jedenfalls müde, aber gut in Bago im Süden Mynamars angekommen. Schlafen war angesagt, denn am nächsten Morgen um 8 Uhr sollte es gleich weitergehen. Der Besuch des Golden Rock war geplant. Über längere Zeit war nicht ganz klar, ob dies überhaupt möglich werden konnte, denn einher mit der Regenzeit gehen Beschädigungen der Strassen und somit eine eingeschränkte Passierbarkeit. Selbst fahren darf man zum Golden Rock sowieso nicht. Das übernehmen geübte Lkw-Fahrer, die den Einheimischen das Bergfahren und den Westlern das Fürchten lehren. Nach dem Umstieg vom Auto auf die Ladefläche eines jener Lkw: 6 Sitzreihen zu je 7 Sitzen - asiatische Grössen - und der Transport fährt erst los, wenn auch wirklich der allerletzte Platz belegt und abkassiert ist. Immerhin bedeckt ein Klappdach die Ladefläche, aber die Seiten bleiben frei, was bei der regenreichen Rückfahrt noch eine Rolle spielen sollte.

Die Fahrt auf den Berg verlief dann ganz gut, abgesehen von mehrmaligen Kontrollen durch die Polizei, einem Spenden-Halt und dem Umstand, dass der Laster gerade in einer der zahlreichen Serpentinen und beim Anfahren einer Steigung ein Kinderdreirad verlor, welches sich wieder auf den Weg nach unten machte. Stehenbleiben konnte der Fahrer nicht, sonst wäre er bei der Steigung wohl nicht mehr losgekommen, also musste der Lademeister abspringen, das Dreirad holen und dann den ganzen Anstieg bis zur nächsten Serpentine hochlaufen - der arme Mann. Aber immerhin: das Dreirad war gerettet...

Ziel des Tages heute war der berühmte Golden Rock, der vielmals auf Bildern erscheint, wenn von Myanmar die Rede ist. Ein Felsbrocken, der scheinbar am Abgrund balanciert, festgehalten nur von zwei Haaren Buddhas. So sagt es die Legende. Und deshalb wurde der Felsen komplett vergoldet und oben mit einem Stupa versehen, der Kyaiktiyo - auf Deutsch in etwa "Stupa auf dem Kopf des Einsiedlers". Natürlich auch in Gold. Der Fels ist eines der wichtigsten Heiligtümer der Buddhisten im Lande und Ziel vieler Pilger, die hier ihre Gebete verrichten. Somit ist das ganze Areal natürlich auch zu etwas wie einem Ausflugsort geworden, mit allen entsprechenden Einrichtungen: Restaurants, Souvenir-Stände, Gebetspavillons für das Volk und solche für die Mönche. Gerade werden mehrere Hotels aus dem Boden gestampft, die dann wohl eher für zahlungskräftige Kunden aus dem Ausland gedacht sind. Eine Seilbahn für die letzten paarhundert Meter ist auch gerade eröffnet worden.
Den Golden Rock stört das alles nicht, er liegt weiterhin relativ fest auf seiner Kante und lässt sich mit Gold bekleben (was nur Männer tun dürfen). Aber wie ist er nun dahin gekommen? Die Frage ist eigentlich falsch, denn der Fels war schon immer da. Er ist das letzte, was nach all der Erosion übrig geblieben ist. Ein Wunder ist trotzdem, dass er nun gerade so prominent an dieser Kante liegt. Sicher deshalb ist er, sobald die ersten Menschen hier auftauchten, heiliggesprochen worden.

Die Abfahrt vom Berge verlief dann etwas abenteuerlicher, als die Auffahrt. Zuerst einmal begann es zu regnen, als wir gerade den Lkw bestiegen. Nach etwa 45 Minuten Warten waren dann alle Plätze besetzt und es ging los. Der jetzige Fahrer musste viel mehr Erfahrung mit dem Berg haben, als der auf der Herfahrt. Seine Fahrweise hätte ich nicht mal im Flachland akzeptiert. Aber was soll man tun, wenn man hinten auf der Ladefläche eingezwängt zwischen lauter Burmesen und Chinesen sitzt? Richtig. Da kann man nichts machen ausser beten und hoffen, dass die Fahrt heil vorübergeht. Die Buddhisten unter den Mitfahrern haben schliesslich dafür und für alles andere oben am Golden Rock ihr Blattgold aufgeklebt und deswegen stört es sie wahrscheinlich weniger, wenn der Lkw über die Klippe geht. Sie, bzw. ihre Seelen, werden ja umgehend wiedergeboren und wenn man fleissig genug Blattgold geklebt hat, wird man vielleicht sogar in ein besseres neues Leben hineingeboren, als das jetzige, wo man hinten auf der Ladefläche sitzen muss. Dann nämlich könnte man sich vielleicht auch einen der drei Plätze in der Führerkabine leisten, die für Extrageld vergeben werden (15'000 Kyat = ca. 10 Euro).*


Der Goldene Fels


Egal ob Gross oder Klein: 42 Personen müssen auf die Ladefläche,
sonst fährt der Transporter nicht ab. Die 5 Leute in der ersten Reihe sind aus Spanien
und haben einen Platz extra bezahlt, damit sie zu fünft sitzen dürfen...



* An dieser Stelle muss ich vielleicht gleich mal um Entschuldigung bitten und einiges richtigstellen: ja, der Buddhist glaubt an die Wiedergeburt der Seele, des "leidhaften Wiedergeburtskreislaufes Samsara". Ziel des Buddhisten ist es, diesen Kreislauf zu verlassen durch Loslassen von Bindungen, Begierden und Wunschvorstellungen und somit die Erlösung zu erlangen, das Nirwana, was so viel bedeutet wie Verwehen, Vergehen. Es geht also nicht um das Ewige Leben, an das die Christen glauben, sondern gerade diese Ewigkeit zu durchbrechen.
Dennoch: abgesehen von diesem grundlegenden Unterschied sind mir sehr viele Parallelen von Buddhismus und Christentum aufgefallen, auf die ich vielleicht später nochmal eingehen werde.

Keine Kommentare: